Sowjetischen Revisionismus verstehen

Sowjetischen Revisionismus verstehen

Klaus Markstein
Janosik
29. Mai 2023 (Originalversion veröffentlicht am 20. Februar 2023)
LLCO.org

Einleitung

1 Definitionen

2 Dialektik sozialer Veränderung

3 Wirtschaftliche Analyse

3.1 Wohlstandsverteilung

3.2 Staatliche Investitionen

3.3 Ausbeutung

3.4 Der Schwarzmarkt

3.5 Eine neue Art von Kapitalismus?

4 Politische Analyse

4.1 Die Kommunistische Partei

4.2 Gewerkschaften

4.3 Sowjetische Demokratie

5 Beziehungen mit anderen Ländern

5.1 Wirtschaftliche Beziehungen

5.1.1 Mit sozialistischen Ländern

5.1.2 Mit nicht-sozialistischen Ländern

5.2 Politische Beziehungen

5.2.1 DDR 1953

5.2.2 Ungarn 1956

5.2.3 Tschechoslowakei 1968

5.2.4 Afghanistan 1979

5.2.5 Polen 1981

6 Dialektische Analyse der sowjetischen Gesellschaft

7 Theoretische Schlussfolgerungen und Ausblick

Bibliographie

Einleitung

Der Tod Stalins war ein bedeutender Moment in der Geschichte der weltweiten sozialistischen Bewegung – nicht weil seine Führung unersetzlich gewesen wäre, sondern weil der Einfluss seiner Nachfolger die sozialistische Welt in zwei streitende Lager spaltete. Die eine Seite, die zunächst von den chinesischen Maoisten vertreten wurde, behauptet, Chruschtschow und später Breschnew hätten den Kapitalismus in der Sowjetunion restauriert und sie zu einer sozialimperialistischen Großmacht umgeformt, die andere Nationen ausbeute. Wir bezeichnen Menschen, die diese Position vertreten, als Restaurationisten. Die andere Seite argumentiert, dass die Sowjetunion bis zu ihrer Auflösung im Jahr 1991 sozialistisch blieb. Mehr als 60 Jahre nach dem chinesisch-sowjetischen Zerwürfnis spaltet die Frage, ob die Sowjetunion nach Stalin staatskapitalistisch geworden ist, noch immer die kommunistischen Kräfte in der Welt. Selbst die LLCO bezog früher klar Stellung gegen die „neue Kapitalistenklasse“ der Sowjetunion.1

Die Tatsache, dass diese Frage unter Marxisten-Leninisten immer noch diskutiert wird, ist etwas peinlich, da wir heute Zugang zu einer breiten Palette von Instrumenten haben, die vielen Kommunisten in den 1960er bis 1990er Jahren nicht zur Verfügung standen. Insbesondere bestimmte Aspekte unserer Zeit drängen uns dazu, diese Frage neu zu bewerten und zu versuchen, sie ein für alle Mal zu lösen. Dazu gehören: die riesige Menge an Literatur und Forschung, die in den mehr als 60 Jahren seit des chinesisch-sowjetischen Zerwürfnisses veröffentlicht wurde; die Möglichkeit, über das Internet schnell auf Quellen und Daten zuzugreifen und sie zu überprüfen; und die schrittweise Öffnung der sowjetischen Archive.

Viele der bisherigen Veröffentlichungen über die Sowjetunion nach Stalin nehmen keinen Bezug zueinander und stehen somit allein. So wird zum Beispiel eine der umfangreichsten Werke zugunsten der Argumente der Restaurationisten, Die Restauration des Kapitalismus in der Sowjetunion des deutschen Kommunisten Willi Dickhut, in US-Publikationen kaum erwähnt. Ebenso wenig gehen europäische kommunistische Organisationen auf US-Forschung zu diesem Thema ein. Diese Fallstudie soll auch dazu dienen, diese Hindernisse zu überwinden und den internationalen wissenschaftlichen Dialog zu fördern.

Unsere Forschung basiert auf dem breiten Konsens unter Marxisten-Leninisten, dass die Sowjetunion unter Stalin sozialistisch war. Traditionell würden nicht einmal Trotzkisten sie als kapitalistisch bezeichnen. Trotzki kritisierte Stalin für die Errichtung einer „Bürokratie“ und eines entarteten Arbeiterstaats, bezeichnete die Sowjetunion aber ausdrücklich nicht als staatskapitalistisch.2 Wir werden untersuchen, ob Chruschtschow und Breschnew wirklich Reformen einführten, welche die sozialistische Wirtschaft in eine staatskapitalistische umwandeln konnten, mit all ihren negativen Auswirkungen auf die arbeitende Bevölkerung und auf die Beziehungen zwischen der Sowjetunion und anderen Ländern. Wir werden die wichtigsten Argumente beider Seiten bewerten und dabei insbesondere auf die Fragen der kapitalistischen Aneignung und des Sozialimperialismus eingehen.

Ein rein wirtschaftlicher Ansatz reicht jedoch nicht aus, um die Debatte zu beenden. Er würde viele Fragen offen lassen, zum Beispiel: Warum ist die Sowjetunion unter Gorbatschow zusammengebrochen? Warum wandte sich Chruschtschow gegen Stalin? Wie hat sich die offizielle Ideologie im Laufe der sowjetischen Geschichte verändert? Deshalb müssen wir in die marxistische Theorie eintauchen und den gesellschaftlichen Wandel aus einer dialektischen Perspektive betrachten. Im ersten Kapitel werden wir einige Leitbegriffe für diese Untersuchung definieren. Im zweiten Kapitel fassen wir kurz zusammen, wie gesellschaftlicher Wandel aus marxistischer Sicht funktioniert. Das dritte Kapitel befasst sich mit der sowjetischen Wirtschaft und das vierte Kapitel mit dem politischen System der Sowjetunion. Im fünften Kapitel wird untersucht, ob die Sowjetunion imperialistisch war oder nicht. In Kapitel sechs bewerten wir die Entwicklung der sowjetischen Gesellschaft aus einer dialektischen Perspektive neu und ziehen eine Schlussfolgerung über ihr Wesen. Im letzten Kapitel fassen wir unsere methodologischen Erkenntnisse zusammen, die für künftige Forschungen genutzt werden können.

Diese Arbeit wird sich ausschließlich auf die Sowjetunion und ihre Beziehungen zu anderen Ländern konzentrieren. Es wäre zu simpel, auf der Grundlage der Erkenntnisse über die Sowjetunion Annahmen über andere Länder zu treffen. Jeder Staat verdient seine eigene Analyse, bevor wir ihn für sozialistisch oder etwas anderes erklären. Wir hoffen jedoch, dass die Ergebnisse dieser Arbeit für künftige Fallstudien hilfreich sein können.

1 Definitionen

Ware, Warenproduktion – Wir sind es gewohnt, jedes Produkt menschlicher Arbeit als Ware zu sehen Aber das ist nur so, weil wir in einem kapitalistischen System leben, in dem die Warenproduktion überwiegt. Das muss nicht immer der Fall sein, und das war auch die meiste Zeit in der Geschichte der Menschheit nicht der Fall. Was ist also eine Ware? Kurz gesagt handelt es sich dabei um etwas, das für den Austausch auf dem Markt (Tauschwert) und nicht für den direkten Gebrauch (Gebrauchswert) produziert wird. Wenn ein Urmensch einen Stock schärfte, um ihn als Waffe für die Jagd auf Tiere zu verwenden, war er keine Ware. Wenn er aber diesen Stock, oder 100 Stöcke, anspitzt, um sie auf dem Markt gegen andere Waren einzutauschen, um seine eigenen vielfältigen Bedürfnisse zu befriedigen, dann wird er zur Ware. Waren haben sowohl einen Gebrauchswert (sonst würde sie niemand kaufen wollen) als auch einen Tauschwert. Von Warenproduktion kann man überall dort sprechen, wo Gebrauchsgüter hauptsächlich für den Austausch hergestellt werden.3

Klasse – Der Begriff der Klasse war in Zeiten vor der Entstehung des Privateigentums undenkbar. Dem Marxismus zufolge wird es ihn auch nicht mehr geben, nachdem das Privateigentum im Sozialismus abgeschafft wurde.4 Die Klasse ist also eng mit dem Verhältnis zum Eigentum und zu den Produktionsmitteln verbunden. Der Konflikt zwischen Eigentümern und Produzenten war der Motor der Geschichte, wie Marx berühmt feststellte: „Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft ist die Geschichte von Klassenkämpfen.“5 In diesem Artikel werden wir den Begriff der Klasse jedoch auf die kapitalistische Gesellschaft anwenden, da dies unser Forschungsschwerpunkt ist. Im kapitalistischen System gibt es zwei Hauptklassen. Eine von ihnen, die Bourgeoisie, besitzt die Produktionsmittel (Fabriken, Land, Werkzeuge usw.) und muss keine eigentliche Arbeit leisten. Stattdessen kaufen sie die Arbeitskraft von Proletariern, die keine Produktionsmittel besitzen und gezwungen sind, ihre eigene Arbeitskraft als Ware zu verkaufen. Obwohl die Proletarier alles produzieren, was wir nutzen, werden sie enteignet. Gleichzeitig erntet die Bourgeoisie alle Vorteile, ohne etwas zum Produktionsprozess beizutragen, und verhält sich wie ein Parasit. Diese ungerechten Beziehungen und Spannungen treiben den Klassenkampf im Kapitalismus voran. Neben den beiden Hauptklassen gibt es eine Mittelschicht, die jedoch ein schwankendes Element zwischen Proletariat und Bourgeoisie darstellt und sich je nach den Umständen auf die eine oder die andere Seite schlägt.6

Ausbeutung – Dieses Konzept ist wie der Begriff der Klasse eng mit der Entstehung des Privateigentums verbunden. Einfach gesagt erhalten diejenigen, die für die besitzenden Klassen arbeiten (seien es Proletarier für die kapitalistische Bourgeoisie oder Leibeigene für die Feudalherren), weniger als Lohn, als was sie tatsächlich produzieren. Ohne die Ausbeutung der produzierenden Klassen wären die besitzenden Klassen nicht in der Lage, sich selbst zu erhalten oder Reichtum anzuhäufen. Die Ausbeutung kann verschiedene Formen annehmen, aber wir werden uns darauf konzentrieren, wie sie im Kapitalismus funktioniert. Hier ist die Beziehung zwischen Eigentümern und Arbeitern rechtlich in Form eines Vertrags zwischen zwei nominell freien Parteien konstituiert. Dies steht in krassem Gegensatz zum Beispiel zum frühen Feudalsystem, wo es ein alternatives System der Leibeigenschaft gab. Im Gegensatz zu Leibeigenen sind Proletarier in einem kapitalistischen System theoretisch frei in ihrer Entscheidung, für ihren „Herrn“ zu arbeiten, aber praktisch sind sie aufgrund des fehlenden Eigentums an den Produktionsmitteln gezwungen, für die Kapitalisten zu arbeiten.7 Sie erhalten ihren Lohn in Form eines Geldbetrags, der weniger beträgt als der Wert, den sie durch ihre Arbeit geschaffen haben. Der verbleibende Überschuss wird von den Kapitalisten angeeignet, nicht nur um sich selbst zu erhalten, sondern auch und vor allem um Kapital für zukünftige Investitionen zu akkumulieren.8

Kapitalismus – Diese Produktionsweise entstand nach dem Umsturz der bestehenden Feudalordnung durch die bürgerlichen Revolutionen. Sie hatte sich zuerst in England etabliert, vermutlich im Jahr 1661, und verbreitete sich dann innerhalb eines Jahrhunderts in ganz Westeuropa. Im Kapitalismus:

  • ist die Warenproduktion vorherrschend, da die meisten Güter für den Austausch auf dem Markt und nicht für den unmittelbaren Gebrauch produziert werden;
  • ist die Bourgeoisie die herrschende Klasse, da sie die Produktionsmittel (wie Fabriken, Werkzeuge usw.) in ihrem Privatbesitz hat;
  • ist die Ausbeutung als „freiwilliger“ Arbeitsvertrag zwischen nominell freien Parteien getarnt, im Gegensatz zu Leibeigenschaft, Sklaverei usw.;
  • muss das Proletariat, da es nicht Eigentümer der Produktionsmittel ist, seine Arbeitskraft an die Kapitalisten verkaufen;
  • stellt der Lohn der Arbeiter nicht den gesamten von ihnen produzierten Wert dar; der fehlende Teil, der sogenannte Mehrwert, wird von der Kapitalistenklasse angeeignet;
  • ist der Profit der Hauptanreiz für wirtschaftliche Tätigkeit und basiert auf dem Mehrwert; die Bourgeoisie nutzt die Profite, um sich selbst zu erhalten und weiter zu investieren;
  • sind die Proletarier die fortschrittliche Klasse, da sie ein Interesse an der Überwindung der systemischen Ausbeutung haben;
  • gibt es Mittelschichten, die nicht proletarisch sind, weil sie kleine Produktionsmittel besitzen und Gewinne erzielen, aber dennoch selbst arbeiten müssen; sie sind relativ irrelevant und neigen dazu, entweder von der Bourgeoisie abhängig zu werden oder sich schließlich den Reihen des Proletariats anzuschließen;
  • werden die Produktion und das Kapital zunehmend monopolisiert und zentralisiert, was einige Auswirkungen hat, aber keinen qualitativen Unterschied zu den oben dargelegten Aspekten darstellt;9
  • machen die wirtschaftlichen Grenzen des Staates schließlich den Imperialismus notwendig, um eine Wirtschaftskrise abzuwenden, was wiederum durch ständige Kriege eine noch größere Krise verursacht;
  • fördert die starke Konkurrenz um den Profit Investitionen in fortschrittliche Technologien, die es der Bourgeoisie ermöglichten, sich gegen die primitiven und stagnierenden Produktionsmethoden des Feudalismus durchzusetzen;10
  • werden die Produktionsverhältnisse selbst schließlich zu einem hemmenden Faktor für die Entwicklung der Produktivkräfte: Der hohe Grad der Arbeitsteilung führt dazu, dass die Produktion immer mehr vergesellschaftet wird, während das gesamte Eigentum in den Händen einer Minderheit verbleibt, was zu ständigen Krisen und Ineffizienz führt.11

Staatskapitalismus – Der Begriff hat je nach Zeit und Kontext viele verschiedene Bedeutungen. Er „hat den Vorteil, dass niemand genau weiß, was er eigentlich bedeutet“, schrieb Trotzki.12 Im Kontext unserer Forschung beschreibt er eine verstaatlichte Wirtschaft, in welcher der Staat wie ein großes kapitalistisches Unternehmen funktioniert. Der Staat erwirtschaftet Gewinne, um sie zu reinvestieren und noch höhere Gewinne zu erzielen und damit eine Kapitalistenklasse zu bereichern. Dieses antagonistische Verhältnis zwischen der kapitalistischen Staatselite und den Arbeitern kann zu autoritären Maßnahmen führen, um den Widerstand der Arbeiter zu brechen. Es ist aber auch möglich, dass der Staatskapitalismus imperialistisch wird und somit diesen inneren Widerspruch durch die Ausbeutung anderer Nationen abschwächt.

Sozialismus – Diese Produktionsweise entsteht, nachdem die proletarische Revolution die bestehende kapitalistische Ordnung gestürzt hat. Sie wurde zuerst in der Sowjetunion eingeführt, wohl im Jahr 1936, und verbreitete sich nach dem Zweiten Weltkrieg in ganz Osteuropa. Im Sozialismus:

  • liegt die politische Macht fest in den Händen des Proletariats und seiner Verbündeten (wie der Bauernschaft im Falle der UdSSR);
  • ist das Privateigentum abgeschafft und sind die Produktionsmittel in Form von staatlichem oder kollektivem Eigentum vergesellschaftet worden;
  • wird die Wirtschaft zentral geplant, um die Anarchie der Produktion zu vermeiden und die Bedürfnisse der Bevölkerung bewusst zu erfüllen;
  • ist die Ausbeutung abgeschafft und erhalten die Produzenten den von ihnen produzierten Wert entweder direkt in Form von Löhnen oder indirekt als Subventionen, Sozialleistungen oder zukünftige Investitionen;
  • beginnen die Unterschiede zwischen den Schichten, die Geldwirtschaft und sogar der Staatsapparat selbst beim Übergang zu einer kommunistischen Gesellschaft allmählich zu verschwinden;
  • existieren Intellektuelle, Spezialisten, Beamte usw. zwar noch als unterscheidbare Schicht, stammen aber idealerweise aus den Reihen der Arbeiterklasse, sind der sozialistischen Sache untergeordnet und haben keine Interessen, die denen der Arbeiter entgegenstehen – im Gegensatz zu den reaktionären Intellektuellen der kapitalistischen Gesellschaften;
  • hängt das Wirtschaftswachstum nicht mehr von der Unterdrückung anderer Nationen ab und militärische Konflikte stellen keine systembedingte Notwendigkeit mehr dar.

Revisionismus/Rechtsopportunismus – Eine frühere Definition der LLCO besagt:

„Der Revisionismus will das revolutionäre Herz aus dem Marxismus heraus revidieren. Revisionisten sind jene, die die revolutionäre Wissenschaft in ihr Gegenteil verkehren. Sie setzen der Konterrevolution und der Unterdrückung eine ‚marxistische‘ Maske auf. Die Revisionisten ‚hissen die Rote Fahne, um sich gegen die Rote Fahne zu stellen.‘ Es gibt verschiedene Arten von Revisionismus. Sie überschneiden sich häufig und beziehen sich auf einander.“13

Die Hauptarten des Revisionismus sind unter anderem: Reformismus, Sozialimperialismus und Erstweltismus. Wir möchten die von Keeran und Kenny14 verwendete Definition hinzufügen, die den Revisionismus als theoretische Rechtfertigung für Rechtsopportunismus identifiziert. Rechtsopportunismus wiederum ist ein unnötiger ideologischer Rückzug, mit anderen Worten, ein einfacher Ausweg im Angesicht praktischer Probleme. Der Rechtsopportunismus zeichnet sich in der Regel dadurch aus, dass er nicht den Kampf gegen den Kapitalismus, sondern die Versöhnung mit ihm sucht. Es ist der Wunsch, den Sozialismus und den Kommunismus schnell und ohne große Schwierigkeiten zu erreichen. Das Problem mit dem Rechtsopportunismus ist, dass er anfangs schwer zu erkennen sein kann, weil auf dem Weg zum Sozialismus oft Rückschritte notwendig sind. Für einige mag Lenins Neue Ökonomische Politik (NÖP) wie Rechtsopportunismus ausgesehen haben, eine einfache Lösung für das Problem des Aufbaus einer sozialistischen Wirtschaft. Doch später stellte sich heraus, dass sie der richtige Weg war, ein Rückzug, der die Grundlage für einen späteren Vorstoß bildete. Ein anderes Beispiel: Eine sozialistische Revolution beinhaltet den gewaltsamen Sturz des kapitalistischen Systems. In den frühen Tagen des wissenschaftlichen Sozialismus wurde argumentiert, dass der Kapitalismus friedlich reformiert werden könne. Diese Vorstellung ist eindeutig rechtsopportunistisch, denn sie vergisst die Tatsache, dass eine gewaltsame Revolution unter den gegebenen Umständen die einzige Chance für den Erfolg einer sozialistischen Revolution ist. Sie ist ein offensichtlicher Rückzug, da sie direkt in die Hände der Kapitalistenklasse spielt, die den Wahlprozess kontrolliert. Jeder Versuch, diese Idee theoretisch zu rechtfertigen, ist daher eine Form des Revisionismus. Ebenso ist der Sozialimperialismus Revisionismus, da er die Ausbeutung anderer Länder rechtfertigt, um wirtschaftliche Probleme im eigenen Land zu lösen. Langfristig verzögert er jedoch eine globale sozialistische Revolution. Erstweltismus ist Revisionismus, weil er versucht, eine Revolution in der Ersten Welt zu erzwingen, obwohl nicht genügend revolutionäres Potenzial vorhanden ist, was letztlich zu ewiger Tatenlosigkeit führt.

Sozialimperialismus – Andere Nationen aus nationalistischen Gründen in ungünstige wirtschaftliche oder politische Beziehungen zu zwingen und dies mit sozialistischer Rhetorik zu beschönigen. Einige Sozialisten lehnen diesen Begriff ab, da er von Lenins Definition des Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus abweicht. Lenin verwendete den Begriff „Sozialimperialismus“ ursprünglich, um Sozialdemokraten zu beschreiben, die ihren jeweiligen kapitalistisch-imperialistischen Staaten während des Ersten Weltkriegs opportunistisch zujubelten. Da aber imperialistisches Verhalten nicht nur im Kapitalismus vorkommt (das Römische Reich ist ein offensichtliches Beispiel), brauchen wir einen Begriff, der auch die rechtsopportunistische Außenpolitik sozialistischer Staaten beschreiben kann.

2 Dialektik sozialer Veränderung

Gesellschaften bestehen aus zwei Teilen: der wirtschaftlichen Basis und dem Überbau.15 Die Basis ist die Produktionsweise – sei sie nun feudal, kapitalistisch oder sozialistisch, um nur einige Beispiele zu nennen. Sie bedingt den Überbau, der als die ideologische Komponente einer Gesellschaft verstanden werden kann. Der Überbau wiederum wirkt verstärkend auf die Produktionsverhältnisse.

Von Alyxr – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=34613773

Jede bisherige Wirtschaftsform hat inhärente Widersprüche hervorgebracht, welche die Voraussetzung für ihren Umsturz waren. Wenn sich die Arbeiter gegen das kapitalistische System wehren, weil es sie ausbeutet, verschärft der Überbau seinen Griff. Die Gesetze werden autoritärer, die Intellektuellen führen einen Krieg gegen revolutionäre Ideen, und die Medien verkommen zu einer reinen Propagandamaschine. Aber dieser inhärente Konflikt trägt auch den Keim der neuen Gesellschaft in sich. Marx schrieb, dass die alte Gesellschaft mit der neuen schwanger ist.16 Die Arbeiter, die fast aller materiellen Güter beraubt wurden, überwinden die egoistische Mentalität des Kapitalismus und beginnen, in Begriffen außerhalb des gegenwärtigen Überbaus zu denken. Sie organisieren sich auf demokratischere Weise, die dem gegenwärtigen System unbekannt ist. Lenin nannte diese Phänomene eine zweite Kultur17 und eine Doppelmacht18 und bezog sich damit auf ihren ideologischen bzw. institutionellen Aspekt. Die LLCO fasst sie unter dem Begriff Neue Macht zusammen.19 Dieser ständige Kampf zwischen dem Alten und dem Neuen, zwischen der gegenwärtigen Ordnung und der neuen, die sich im Rahmen eines bestimmten Systems entwickelt, ist die treibende Kraft des menschlichen Fortschritts. Diese inneren Widersprüche führen zu quantitativen Veränderungen, die am besten als „Zuwächse“ verstanden werden, als Stärkung der Neuen Macht gegenüber der alten. Das Anwachsen der Neuen Macht hat eine zersetzende Wirkung auf die gegenwärtige Produktionsweise, aber es stürzt sie noch nicht um. Vielmehr kann dieser Prozess als eine Veränderung des Kräfteverhältnisses verstanden werden.

In der Wirtschaftsform des Feudalismus zum Beispiel wurde hauptsächlich für den unmittelbaren privaten Verbrauch und nicht für den Austausch auf dem Markt produziert. Dies entsprach der Logik der frühmittelalterlichen Systeme, in denen der Grundbesitz des Feudalherrn die wichtigste wirtschaftliche Einheit darstellte. Aufgrund der politischen Dezentralisierung, der Vorherrschaft des Lands und der primitiven Produktionsmethoden, die nur einen geringen Überschuss zuließen, war es sinnvoll, die hergestellten Waren vor Ort zu verbrauchen, anstatt sie zu exportieren. Dieser Ansatz war zwar durchaus vernünftig, aber er war nicht nur im Sinne der gegenwärtig herrschenden Ausbeuterklasse, sondern bot auch keine großen Chancen für Fortschritt. Stattdessen verstärkte er nur die alte Ordnung. Eine der fortschrittlichen Klassen waren damals die in den Städten ansässigen Kaufleute. Die feudalen Ländereien waren der größte Markt für Händler, da die herrschende Klasse natürlich auch die reichste war. Die auf den Landgütern hergestellten lokalen Waren konnten nicht mit der Arbeit der städtischen Handwerker konkurrieren. Deren Produkte waren von besserer Qualität, und es war einfacher und bequemer, schlicht ihre Waren zu kaufen, anstatt sie vor Ort und viel weniger effizient selbst zu produzieren. Infolgedessen gewann die Klasse der Kaufleute an Bedeutung, und die ineffiziente lokale Produktion für den Eigenbedarf wurde allmählich durch eine Produktion für den Markt ersetzt. Sogar die Ländereien selbst stellten ihre Produktion auf die Herstellung von Waren um. Die Geldwirtschaft wurde vorherrschend, und die Grundrente entwickelte sich in den am weitesten entwickelten Teilen Westeuropas zur wichtigsten Form der feudalen Abhängigkeit. All dies ist ein Beispiel für quantitative Veränderungen, die sich daraus ergaben, dass die fortschrittliche Klasse innerhalb des bestehenden Systems Fuß fasste und ihre eigenen Produktionsmethoden und politischen Organisationsformen durchsetzte. Auf diese Weise entwickelt sich eine neue Gesellschaft im Schoß der alten Ordnung.

Wenn sich quantitative Veränderungen anhäufen und eine kritische Masse erreichen, führen sie zu einem qualitativen Wandel, bei dem der herrschenden Klasse die politische Macht entzogen wird. Der alte Staatsapparat wird zerschlagen und durch neue Institutionen ersetzt, die der neuen herrschenden Klasse dienen. Die staatlichen Institutionen, die ihrem Wesen nach Zwangsinstrumente sind, werden dann dazu benutzt, die überholten Klassenbeziehungen neu zu organisieren, um den neuen Produktionsmitteln und -methoden Rechnung zu tragen. Das nennen wir eine Periode der sozialen Revolution, und so entsteht eine neue Produktionsweise. Es muss betont werden, dass dies ein Prozess ist. Der bloße Sturz der alten Staatsmacht ist nicht unbedingt eine vollständige Revolution, denn das ist nur der Anfang. Von einem Ende der revolutionären Periode kann erst dann die Rede sein, wenn sich die Vorherrschaft eines neuen Wirtschaftssystems durchgesetzt hat.

In der gesamten Geschichte des Marxismus wird das Industrieproletariat als die treibende Kraft hinter einer sozialistischen Revolution angesehen.20 Das liegt daran, dass die neue Macht dort entsteht, wo die Widersprüche des Kapitalismus am größten sind. Zu Marx Zeiten waren dies die fortgeschrittenen Industrienationen, in denen die Ausbeutung des städtischen Proletariats perfektioniert und auf die Spitze getrieben worden war. Es hätte durchaus Sinn gemacht, dass in ihnen die erste erfolgreiche Revolution ausbricht. Doch der Kapitalismus erwies sich als komplizierter, und in diesen Ländern kam es nie zu einer erfolgreichen Revolution. Diese Überlegungen werden bei der Analyse der sowjetischen Gesellschaft von Bedeutung sein.

3 Wirtschaftliche Analyse

Damit die Sowjetunion kapitalistisch sein kann, muss sie eine kapitalistische Wirtschaft haben. Auf den ersten Blick scheint dies nicht der Fall zu sein, da die sowjetischen Unternehmen in Staatsbesitz waren. Restaurationisten argumentieren jedoch selten, dass die Sowjetunion den liberalen, marktwirtschaftlichen Kapitalismus wiederhergestellt hat, sondern vielmehr, dass sie einen neuen Typus, den Staatskapitalismus, aufgebaut hat. Es gäbe viel über die sowjetische Wirtschaft zu sagen. Wir werden versuchen, diesen Abschnitt kurz zu halten, da unsere Arbeit nicht viele neue Erkenntnisse liefern kann. Die restaurationistische Theorie des Staatskapitalismus lässt sich wie folgt zusammenfassen:

  1. Es gibt eine neue kapitalistische Klasse, bestehend aus der Staats- und Parteielite, welche die Produktionsmittel kontrolliert.
  2. Diese neue kapitalistische Klasse finanziert sich durch wirtschaftliche Profite.
  3. Die Profitabilität ist die wichtigste Determinante für wirtschaftliche Entscheidungen. Die Kapitalistenklasse investiert einige ihrer Gewinne, um im Gegenzug noch höhere Gewinne zu erzielen.
  4. Die Manager erhalten durch das System der materiellen Anreize einen Anteil an den Gewinnen und werden so motiviert, die Arbeiter immer mehr auszubeuten.21

Aus diesen theoretischen Annahmen lassen sich die folgenden Hypothesen über die Sowjetunion ableiten:

  1. Mehrwert wurde weg von der Arbeiterklasse an die Staats- und Parteibürokratie transferiert.
  2. Der Staat investierte eher in profitable als in unprofitable aber lebensnotwendige Industriezweige.
  3. Die Ausbeutung der Arbeiter nahm zu, um den Profit zu maximieren.

In den folgenden Unterkapiteln werden wir diese Hypothesen nacheinander behandeln.

3.1 Wohlstandsverteilung

Lohnunterschiede in der UdSSR nach Stalin sind tatsächlich kleiner geworden.22 Restaurationisten argumentieren jedoch, dass Lohnungleichheit durch das System materieller Anreize verursacht wurde. Dieses begünstigte nämlich Manager, da Prämien im Verhältnis zum Grundlohn ausgezahlt wurden.23 Dies ist ein stichhaltiger Gedanke, da die Manager tatsächlich mehr Prämien verdienten als einfache Arbeiter, sowohl absolut als auch relativ gesehen.24 Eine aktuelle Studie über die Einkommensungleichheit im heutigen Russland zeigt jedoch: die Ungleichheit der tatsächlichen Haushaltseinkommen unter Chruschtschow oder Breschnew war nicht größer als unter Stalin. Tatsächlich ging die Einkommensungleichheit nach Stalin sogar leicht zurück. Unter Gorbatschow nahm sie etwas zu und stieg schließlich nach der Auflösung der UdSSR sprunghaft an.25 Der Gini-Koeffizient26 der Sowjetunion war im Allgemeinen etwas höher als der anderer sozialistischer Länder in Osteuropa, aber etwas niedriger als der des Vereinigten Königreichs.27 Auch wenn man argumentieren könnte, dass solche kapitalistischen Maßstäbe zur Bewertung der Ungleichheit in einer sozialistischen Gesellschaft ungeeignet sind (wir werden später noch einmal darauf eingehen), lassen die Daten keinen Raum für die Behauptung, dass es eine relevante kapitalistische Aneignung von Reichtum gab.

Darüber hinaus wurde die tatsächliche finanzielle Ungleichheit der Sowjetbürger verringert, indem die zuständigen Behörden die meisten Preise zentral festlegten, auch nach Stalin. Lebensnotwendige Güter wurden durch Subventionen künstlich verbilligt, so dass die Verbraucher dafür viel weniger zahlten, als ihre Herstellung tatsächlich kostete. Auf der anderen Seite wurden die Preise für Luxusgüter künstlich hoch angesetzt. Auf diese Weise und durch die Bereitstellung von Sozialleistungen waren Lohnunterschiede im täglichen Leben noch weniger relevant.28

Alle Tabellen wurden direkt Novokmet et al. (2018) entnommen.

3.2 Staatliche Investitionen

Falls der Staat und die Parteibürokratie nach Stalin im Wesentlichen zu einer kapitalistischen Klasse geworden wären, die wirtschaftliche Maßnahmen zur Maximierung ihrer Gewinne einsetzte, sollte sich dies auch in den Investitionsentscheidungen des Staates widerspiegeln. Die Einführung des Profits als Maßstab für die wirtschaftliche Leistung sorgte nicht nur im sozialistischen Lager, sondern auch in der kapitalistischen Welt für Aufregung. Westliche Beobachter sahen darin das Eingeständnis, dass die sozialistische Planwirtschaft nicht funktionierte.29 Andere Autoren, wie Josef Wilczynski, relativierten diese Sichtweise.

  • Erstens war die Profitabilität kein genormtes Kriterium. Es gab mehrere Möglichkeiten, sie zu berechnen, und sie unterschied sich nicht nur zwischen, sondern auch innerhalb der sozialistischen Länder.30 Die Profitabilität war nicht einmal objektiv, da der Staat Preise oft unter oder über dem tatsächlichen Wert festlegte.31 Dies ist unpraktisch, wenn man sie als Grundlage für Investitionsentscheidungen verwenden will.
  • Zweitens war die Profitabilität bei weitem nicht der einzige Maßstab für die Performanz von Betrieben. Andere Indikatoren standen manchmal sogar im Widerspruch zum Profit, und die Betriebe erhielten oft zusätzliche Vorgaben, die sie zu erfüllen hatten.
  • Drittens wurden wichtige wirtschaftliche Entscheidungen zentral geplant, wobei der Profitabilität wenig Beachtung geschenkt wurde. Dazu gehörten der Anteil des Nationaleinkommens, der in Investitionen oder in den privaten bzw. gesellschaftlichen Konsum fließt, die Anteile zentraler und dezentraler Investitionen sowie die breite Verteilung der Investitionen auf Industriezweige und Regionen.32 Im Vergleich zu anderen Bereichen wirtschaftlicher Entscheidungen wurden Investitionsentscheidungen am stärksten von nicht-kommerziellen Überlegungen beeinflusst.33
  • Zu guter Letzt wurden verlustbringende Unternehmen häufig subventioniert und waren sogar ein gängiger Aspekt von Planwirtschaften.

Wilczynski schlussfolgert: „Im Grunde genommen wurde der Profit nicht als Ziel, sondern lediglich als Mittel zum Ziel akzeptiert.“34

3.3 Ausbeutung

Kapitalistische Ausbeutung bedeutet, dass die Kapitalisten ihren Arbeitern den von ihnen produzierten Mehrwert nicht auszahlen, sondern zumindest einen Teil davon für sich selbst behalten. Aber auch im Sozialismus wird den Arbeitern nicht der volle Wert bezahlt, den sie produzieren. Auf Unternehmensebene muss ständiges Kapital vorhanden sein, um Maschinen und Ressourcen zu finanzieren. Auf gesellschaftlicher Ebene muss ein Teil des Mehrwerts einbehalten werden, um Dienstleistungen wie Gesundheitsversorgung und öffentliche Infrastruktur bereitzustellen. Um zu beweisen, dass die Arbeiter in der Sowjetunion nach Stalin in einem kapitalistischen Sinne ausgebeutet wurden, müssten bestimmte Bedingungen erfüllt sein:

  1. Der Staat behält den von den Arbeitnehmern geschaffenen Mehrwert ein.
  2. Dieser einbehaltene Mehrwert muss dann zur Bereicherung bestimmter Gesellschaftsschichten und zur Ausweitung der Produktion verwendet werden.
  3. All dies muss auf systematische Weise geschehen: Die Produktion wird ausgeweitet, vor allem in Sektoren, die viel Profit abwerfen, um eine bestimmte Gruppe von Menschen weiter zu bereichern, die effektiv die Produktionsmittel kontrollieren.

In einer sozialistischen Gesellschaft kann man nicht von Ausbeutung sprechen, denn alles, was produziert wird, kommt direkt oder indirekt den Arbeitern zugute. Würden die Arbeitnehmer systematisch um die Früchte ihrer Arbeit gebracht, würde die Ungleichheit zunehmen, und die Löhne der Arbeitnehmer würden im Verhältnis zu den Löhnen der Manager und Bürokraten sinken. Dies war jedoch in der Sowjetunion nicht der Fall, wie bereits in Kapitel 3.1 untersucht.

Nach den Wirtschaftsreformen stieg die Arbeitsintensität jedoch in einigen Fällen schneller als die Löhne der Arbeiter. Für Dickhut war dies der Beweis dafür, dass die Ausbeutung der Arbeiter in der Sowjetunion unter der neuen Führung tatsächlich zunahm. Allerdings beweist er nicht, dass es überhaupt systematische Ausbeutung gab. Er begann seine Argumentation mit der Behauptung, dass die Sowjetunion kapitalistisch sei, und folgerte daraus, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Arbeitern und dem Staat ausbeuterisch sei.35 Aber er versäumt es, Beweise dafür vorzulegen, dass der von den Arbeitern geschaffene Mehrwert von der Bürokratie oder den Managern angeeignet wurde. Unsere bisherige Analyse liefert keine ausreichenden Beweise, um diese Behauptung zu stützen. Der zusätzlich geschaffene Wert könnte genauso gut in den gesellschaftlichen Konsum geflossen sein und sich somit nicht in einer entsprechenden Lohnerhöhung niedergeschlagen haben. Dickhut argumentierte, dass ein zunehmender Teil des Unternehmensgewinns in Fonds für materielle Anreize gesteckt wurde; und da die Manager relativ und absolut mehr aus diesen Fonds gewannen, brachte diese Praxis die Arbeiter systematisch um die Früchte ihrer Arbeit. Dieses Argument ist logisch kohärent, und deshalb könnte man sich jetzt fragen, warum unsere frühere Analyse der Einkommensungleichheit in der Sowjetunion den Implikationen von Dickhuts Argument zu widersprechen scheint. Dickhut hat einen Fakt übersehen. Die Gelder aus den Fonds für materielle Anreize wurden nur zum Teil auf individueller Basis verteilt. Etwa ein Drittel wurde entweder auf kollektiver Basis oder an Personen mit besonderen Bedürfnissen verteilt. Es ist schwer zu beweisen, dass dies die Ungleichheit zwischen den Prämien für Manager und den Prämien für Arbeiter tatsächlich verringern konnte, da die Einzelheiten der Auszahlung von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich waren. Die Details wurden jedoch entweder von Betriebsräten, Betriebsausschüssen oder von besonderen Versammlungen aller Arbeiter beschlossen, was darauf hindeutet, dass die Arbeiter selbst ein gewisses Mitspracherecht hatten.36 Eine erhebliche Erhöhung der Arbeitsintensität wäre somit eine Tatsache, die als Rechtsopportunismus kritisiert werden könnte; sie könnte aber sogar auch für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes notwendig gewesen sein. So oder so ist sie aber kein Beweis für kapitalistische Ausbeutung. Ebenso ist der Verweis auf Überstunden kein ausreichender Beweis für kapitalistische Verhältnisse. Die wirtschaftliche Ineffizienz in der Sowjetunion und anderen Planwirtschaften brachte einige unerwünschte Nebeneffekte mit sich. So zwangen die Direktoren ihre Arbeiter am Ende der Produktionszyklen häufig zu Überstunden, um die im Laufe des Monats aufgetretenen Defizite auszugleichen. Dieses Problem gab es jedoch nicht erst unter Chruschtschow und Breschnew, sondern bereits unter Stalin. Erzwungene Überstunden waren illegal und standen auf dem Radar von Zeitungen und Gerichten.37 Sie waren nicht das Ergebnis kapitalistischer Aneignung, sondern auf Mängel in der sowjetischen Wirtschaftsplanung zurückzuführen.

Ein Team sowjetischer Arbeiter unter der Aufsicht von Teamleiter Alexander Sinyak, 1. September, 1968 von RIA Novosti archive, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:RIAN_archive_633872_Workers_of_Soligorsk_potash_plant.jpg

3.4 Der Schwarzmarkt

Die Restaurationisten verweisen zu Recht auf den Schwarzmarkt, auf dem es kapitalistische Wirtschaftsstrukturen gab. Der Schwarzmarkt entspricht nicht der Vorstellung der Restaurationisten vom Staatskapitalismus, aber wir können auf ihrem Modell aufbauen. In der Sowjetunion, insbesondere seit Chruschtschow, gab es eine riesige Schattenwirtschaft, die nach kapitalistischer Logik arbeitete und Konsumgüter auf der Grundlage von Marktanreizen bereitstellte. Dies konnte verschiedene Formen annehmen. Manchmal stahlen die Leute einfach Waren von ihrem Arbeitsplatz und verkauften sie auf dem Schwarzmarkt. Andere stahlen keine Produkte, sondern Maschinen und begannen, selbst zu produzieren. Und wieder andere eröffneten Untergrundfabriken und stellten sogar Arbeiter ein. Diese Untergrundfabriken arbeiteten oft mit dem Management von Staatsbetrieben zusammen und arbeiteten unter demselben Dach. Aber diese Fabriken konnten nicht unbemerkt bleiben, ohne Staatsbeamte zu bestechen. Aus der Sicht der Restaurationisten mag die zweite Wirtschaft wie eine Erweiterung des zuvor erläuterten staatskapitalistischen Modells erscheinen. Die Manager konnten nun ihre Gewinne maximieren, indem sie die Ausbeutung erhöhten, da sie nicht an die Planvorgaben und die Rechte der Arbeitnehmer gebunden waren. Die Staatsbeamten ließen dies zu und erhielten im Gegenzug Bestechungsgelder – alles unter dem Deckmantel des Sozialismus.

Es gibt jedoch keinen Grund anzunehmen, dass der Schwarzmarkt ein beabsichtigtes Merkmal der sowjetischen Wirtschaft nach Stalin war, unabhängig davon, ob sie sozialistisch oder kapitalistisch war. Der Schwarzmarkt ergänzte die legale Wirtschaft nicht, sondern behinderte die wirksame Umsetzung des staatlichen Plans, da die am Arbeitsplatz gestohlenen Materialien die Produktion der staatlichen Unternehmen verringerten, die dann verzerrte Zahlen an die zentralen Planer meldeten und so ein falsches Bild des Input- und Outputbedarfs zeichneten. Die private Wirtschaftstätigkeit erhöhte auch die Einkommensungleichheit, was zu Unmut in der Bevölkerung führte.38 Dies konnte kaum im Interesse einer politischen Elite liegen, sei sie nun kapitalistisch oder sozialistisch. Deswegen konnten Kapitalisten die Todesstrafe erhalten, was auch tatsächlich passierte.39 Arbeiter und Bauern waren ebenso am Schwarzmarkt beteiligt wie Manager und verdienten mitunter beträchtliches Geld.40 Die meisten kleinen Vergehen wurden jedoch vom Staat geduldet, um ihn vom Druck der Konsumgüterproduktion zu befreien. Es scheint, dass tatsächliche kapitalistische Aktivitäten im Mittelpunkt der staatlichen Repressionen standen. Das Versäumnis von Chruschtschow und Breschnew, den Schwarzmarkt zu bekämpfen, sollte als Rechtsopportunismus kritisiert werden; da aber die Partei- und Staatsbürokratie insgesamt nicht von der illegalen Wirtschaft profitierte, ist dies kaum ein Beweis für die kapitalistische Restauration in der Sowjetunion.

Für unser späteres Fazit ist es wichtig, die Rolle des Schwarzmarkts bei der Förderung kapitalistischer Ideen einer freien Marktwirtschaft zu erwähnen. Illegale wirtschaftliche Aktivitäten ermöglichten es einigen Leuten, sehr reich zu werden, und schufen so eine Schicht von Menschen, die an sozialdemokratischen Reformen interessiert waren. Diese Schicht wurde schließlich auch zu einer Geldquelle für Kritiker und Gegner des sozialistischen Systems.41

3.5 Eine neue Art von Kapitalismus?

Bislang konnten wir keine ausreichenden Belege für die Idee der kapitalistischen Restauration in der Sowjetunion finden. Aber Willi Dickhut, der eine der ausführlichsten und wissenschaftlichsten Arbeiten zugunsten des restaurationistischen Arguments verfasste, glaubte nicht, dass die Sowjetunion einen traditionellen kapitalistischen Staat darstellte, sondern einen „Kapitalismus neuen Typs“.42 Eine kürzlich erschienene Veröffentlichung der von Dickhut gegründeten Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD), spricht von diesem „bürokratischen staatsmonopolistischen Kapitalismus neuen Typs“43 und deckt damit die Mängel dieser Konzeption auf. Die MLPD argumentiert, dass die Restauration des Kapitalismus ein Prozess war, der erst mit dem Zerfall der Sowjetunion und der Wiedereinführung des liberalen Kapitalismus in ihren ehemaligen Mitgliedsstaaten abgeschlossen wurde. In diesem Prozess war der „bürokratische Kapitalismus“ (den wir in dieser Arbeit als Staatskapitalismus bezeichnen) ein Übergangszustand zwischen dem Sozialismus unter Stalin und dem liberalen Kapitalismus nach Gorbatschow.44 Die Frage, die sich logischerweise aus dieser Erklärung ergeben muss, lautet: Warum sollten wir etwas als Kapitalismus definieren, das noch nicht kapitalistisch ist, weil es erst auf dem Weg ist, kapitalistisch zu werden? Warum wird eine sozialistische Gesellschaft, die im Begriff ist, kapitalistisch zu werden, „bürokratischer Kapitalismus“ genannt und nicht „bürokratischer Sozialismus“? Um die Terminologie der MLPD zu rechtfertigen, müsste man nachweisen, dass die Sowjetunion nach Stalin bereits mehr einer kapitalistischen als einer sozialistischen Gesellschaft glich. Erst dann wäre es gerechtfertigt, von einem Übergangskapitalismus oder Staatskapitalismus zu sprechen. Unsere bisherigen Untersuchungen lassen eine solche Möglichkeit nicht zu. Aus der Sicht der MLPD macht ihre Argumentation jedoch Sinn, weil sie den Sozialismus mit Hilfe eines direktionalen Ansatzes definiert, wie er auch in früheren Schriften der LLCO verwendet wurde, wonach sich der Sozialismus in Richtung Kommunismus bewegen muss, um Sozialismus zu sein. Aber wie wir im letzten Kapitel zeigen werden, hat dieser Ansatz einige schwerwiegende wissenschaftliche Unzulänglichkeiten.

Werfen wir einen kurzen Blick auf die Behauptung, die Bürokratie sei im Wesentlichen eine neue kapitalistische Klasse.

In der traditionellen marxistisch-leninistischen Theorie wird die Klasse durch das Verhältnis zu den Produktionsmitteln bestimmt. Wenn man Produktionsmittel besitzt, ist man Kapitalist. Wenn man sie nicht besitzt, ist man Proletarier. Das restaurationistische Argument behauptet, die Bürokratie sei eine Klasse gewesen, weil sie die Produktionsmittel kollektiv besessen habe. Die Grenze zwischen Bürokratie und Nicht-Bürokratie war in der Sowjetunion jedoch fließend. Wer gehörte zu dieser neuen kapitalistischen Klasse? Waren es alle Parteimitglieder? Waren es alle Staatsbeamten? Wenn nicht, welche Position in der Partei oder im Staat musste man erreichen, um als Teil der neuen kapitalistischen Klasse zu gelten? Da wir in der LLCO die Wissenschaft nach ihrem Nutzen beurteilen, lehnen wir die Vorstellung ab, dass es in der Sowjetunion eine neue Kapitalistenklasse gab. Da es unmöglich ist, genau zu bestimmen, wer zu dieser Klasse gehörte und wer nicht, kann uns diese Theorie keine zusätzlichen Erkenntnisse über das Wesen der sowjetischen Gesellschaft liefern. Fairerweise muss man sagen, dass sich die LLCO selbst in der Vergangenheit nicht immer streng an die marxistisch-leninistische Definition von Klasse gehalten hat. Da wir erkannten, dass die Unterschiede zwischen den Arbeitern der „Ersten“ Welt und denen der „Dritten“ Welt heutzutage relevanter sind als die Unterschiede zwischen den Arbeitern der „Ersten“ Welt und ihren einheimischen Kapitalisten, definierten wir Klasse manchmal als Position im globalen Produktionsprozess. Zuweilen bezeichneten wir daher Menschen, die unterm Strich mehr konsumieren als sie produzieren, als Teil der globalen Bourgeoisie, während wir diejenigen, die mehr produzieren als sie konsumieren, als globales Proletariat betrachteten.45 Heutzutage lehnen wir diese Terminologie ab und bezeichnen das Proletariat der Ersten Welt als „Arbeiteraristokratie“, um ihre besondere Stellung im globalen Produktionsprozess hervorzuheben.46 Dennoch war die alte Definition in gewisser Weise gerechtfertigt, da sie uns viel mehr Klarheit über den aktuellen Zustand der Welt und darüber verschaffte, wo ihre Hauptwidersprüche zu finden sind. Die Restaurationisten haben jedoch nicht nur die alte Klassendefinition beibehalten – die ihrer Terminologie widerspricht -, ihre Theorie wirft auch kein Licht auf die Widersprüche innerhalb der sozialistischen Gesellschaften. Wir stimmen zwar voll und ganz zu, dass es Widersprüche zwischen einer bürgerlich-bürokratischen Denkweise und einer sozialistisch-proletarischen Denkweise gab, aber wir halten es für irreführend, sie als gegensätzliche „Klassen“-Interessen zu definieren. Eine bürgerliche Denkweise war nicht auf die Bürokratie beschränkt. Ebenso war eine proletarische Denkweise nicht auf die Arbeiterklasse beschränkt, wie die Große Proletarische Kulturrevolution mit ihrer massiven Initiative von Schülern und Studenten zeigte. Selbst innerhalb der angeblich „herrschenden Klasse“ gab es noch prinzipientreue Kommunisten.

Schließlich wird von manchen die Idee vertreten, dass ein Staat ohne prinzipienfeste kommunistische Führung nicht sozialistisch sein kann. Diese Auffassung findet sich in der Regel bei Anhängern der direktionalen Definition des Sozialismus. Aber auch dieses Argument ist nicht stichhaltig. Es stimmt, dass der Sozialismus, da er mit dem bereits gefestigten, weltbeherrschenden System des Kapitalismus konkurrieren muss, ziemlich verwundbar ist, besonders kurz nach seiner Errichtung. Deshalb ist es auch richtig, dass ein sozialdemokratischer Führer in einem kapitalistischen Land den Kapitalismus nicht zerstören kann, dass aber eine prinzipienlose Führung in einem sozialistischen Land das System durchaus gefährden könnte. Was jedoch den Sozialismus zerstören könnte, ist nicht die prinzipienlose Führung selbst, sondern die Veränderungen, die sie am System vornehmen könnte. Der Sozialismus kann sich in Kapitalismus verwandeln, wenn die Führung beschließt, in großem Umfang Marktanreize wieder einzuführen, das Privateigentum wiederherzustellen, die Bürokratie als wirtschaftliche und soziale Klasse zu festigen, die politische Macht auf Kosten einer breiten Beteiligung des Volkes zu zentralisieren usw. In beiden Fällen, im Kapitalismus und im Sozialismus, kann das System nicht zerstört werden, ohne vorher seine wirtschaftlichen Beziehungen und seine gesellschaftlichen Institutionen zu zerstören. Dies geschah im sozialistischen Osteuropa erst unter Gorbatschow und den neuen Führern des ehemaligen sozialistischen Blocks.

4 Politische Analyse

Das politische Hauptargument der Restaurationisten lautet, dass die Staats- und Parteibürokratie – als neue kapitalistische Klasse – die politische Macht in ihren Händen konzentrierten. Wenn dies zuträfe, würden wir einen Rückgang der politischen und partizipatorischen Rechte der Werktätigen erwarten. Im folgenden Kapitel werden wir daher untersuchen, ob Stalins Nachfolger tatsächlich den Charakter der sowjetischen politischen Institutionen veränderten, um die Arbeiterklasse zu entmachten. Wir werden uns verschiedene politische Institutionen ansehen; und dort, wo es Mängel gab, welche die Arbeiterklasse zugunsten der Bürokratie benachteiligten, werden wir analysieren, ob sie das Ergebnis einer kapitalistischen Übernahme waren oder nicht.

4.1 Die Kommunistische Partei

Die Restaurationisten behaupten, dass die Revisionisten den Anteil der Arbeiter in der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) bewusst verringerten, um sie politisch zu entmachten.47 Es stimmt zwar, dass das Verhältnis zwischen Arbeitern und Intelligenz unter Stalin am günstigsten für die Arbeiter war, aber der Trend zur Überrepräsentation von Menschen mit höherem Bildungsniveau hatte bereits nach dem Zweiten Weltkrieg in den 1940er Jahren begonnen und war in der Tat eine bewusste Anstrengung des Stalin-Regimes.48 Es gibt Belege dafür, dass die soziale Zusammensetzung der Kommunistischen Partei in den 1960er und 70er Jahren wieder zu einem höheren Anteil an Arbeitern tendierte.49 Dennoch waren Büroangestellte und die Intelligenz in der KPdSU eindeutig überrepräsentiert, was als rechtsopportunistisches Versagen von Stalin und seinen Nachfolgern kritisiert werden muss.50 Doch trotz dieser technokratischen Verzerrung entsprach die soziale Zusammensetzung der Kommunistischen Partei in keiner Weise einer kapitalistischen Klassengesellschaft.

Auf betrieblicher Ebene war die Partei ein Instrument für die Beteiligung der Arbeiter an der Leitung der Produktion. Die betrieblichen Zweigstellen der Kommunistischen Partei setzten sich hauptsächlich aus Industriearbeitern zusammen, und etwa 20 bis 25 Prozent der Industriearbeiter in Großbetrieben waren wahrscheinlich Parteimitglieder. Der betriebliche Parteivorstand musste die Ernennung des Verwaltungspersonals genehmigen, und ein Ausschuss, der sich aus der Zweigstelle der Partei, dem Kommunistischen Jugendverband und Gewerkschaftsvertretern zusammensetzte, bewertete die Arbeit des Managements. Dieser Ausschuss konnte das Verwaltungspersonal versetzen, belohnen oder sogar entlassen.51

4.2 Gewerkschaften

Die sowjetischen Gewerkschaften spielten eine wichtige Rolle, indem sie es den Arbeitern erlaubten, an der Produktion und anderen Entscheidungen mitzuwirken, die ihren Alltag betrafen. Anders als in kapitalistischen Ländern hatten die sowjetischen Gewerkschaften ein breites Spektrum an Aufgaben, das von der Beilegung von Konflikten zwischen Arbeitern und Management über Lohnverhandlungen mit dem Staat bis hin zur Verwendung von Unternehmensfonds zum Bau kommunaler Einrichtungen und vieles mehr reichte. Die Bezirksausschüsse der Gewerkschaften konnten jedes Mitglied der Unternehmensleitung entlassen, und sie machten Berichten zufolge auch von diesem Recht Gebrauch. Über die Gewerkschaften konnten die Arbeiter direkt Einfluss auf die Angelegenheiten ihres Arbeitsplatzes nehmen, was ihnen Mitbestimmungsmöglichkeiten und erhebliche politische Macht verlieh. Ihre institutionelle Rolle wurde weder unter Chruschtschow noch unter Breschnew geschmälert.52 Die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft war in der Regel verpflichtend, weshalb fast alle Werktätigen in der Sowjetunion in Gewerkschaften organisiert waren. Wir sind uns darüber im Klaren, dass einige Quellen, die sich sehr positiv über die sowjetischen Gewerkschaften äußern, wahrscheinlich positiv gegenüber Chruschtschow oder Breschnew voreingenommen waren. Aber selbst unsere antikommunistischsten Quellen, leugnen nicht, dass die Gewerkschaften für ein breites Spektrum an sozialen Dienstleistungen zuständig waren und eine wichtige Rolle beim Schutz der Arbeiterinteressen und bei Produktionsentscheidungen spielten.53 Westliche Beobachter stellten außerdem häufig fest, dass sich sowjetische Arbeiter viel stärker mit ihrem Arbeitsplatz verbunden fühlten als Arbeiter im Westen.54 Dickhut behauptet in seinem Werk, in dem er die Restauration des Kapitalismus in der Sowjetunion zu beweisen versuchte, dass die Gewerkschaften nach Stalin effektiv von Bürokraten kontrolliert wurden,55 liefert aber keine Beweise dafür, dass sich der Charakter der Gewerkschaften unter Chruschtschow oder Breschnew grundlegend geändert hätte. Es gab jedoch tatsächlich Fälle, in denen die Gewerkschaften es versäumt haben, die Rechte der Arbeiter zu schützen, weil sie sich der Planerfüllung verpflichtet fühlten. Manchmal ließen sie Verstöße der Unternehmensleitung gegen Arbeiterrechte durchgehen, um die Produktionsziele zu erreichen. Je nach Fall kann dies im Interesse der Arbeiter selbst gewesen sein oder auch nicht, da auch ihre Prämien von der Planerfüllung abhingen.56

4.3 Sowjetische Demokratie

Das sowjetische politische System der Stalin-Ära hat unter Chruschtschow und Breschnew keine grundlegenden institutionellen Veränderungen erfahren. Nur Gorbatschow unternahm einige Reformversuche,57 bevor seine Politik unter dem Gewicht ihrer eigenen Widersprüche zusammenbrach. Das politische System der Sowjetunion nach Stalin war nicht von Natur aus undemokratisch, aber es litt unter der allgemeinen politischen Stagnation der damaligen Zeit.

Um eine kurze Beschreibung zu geben: Sowjets auf mehreren Regierungsebenen bildeten den Kern des politischen Systems der UdSSR. Die Sowjets vereinten sowohl legislative als auch exekutive Befugnisse, so dass die vom Volk gewählten Delegierten auch für die Umsetzung der von ihnen vorgeschlagenen Änderungen verantwortlich waren. Die Mandate der Delegierten waren imperativ, was bedeutet, dass das Volk sie abberufen konnte, wenn sie nicht in seinem Sinne handelten. Auch wenn dies nicht oft vorkam, konnten sogar Delegierte des Obersten Sowjets der UdSSR abberufen werden.58 In der Regel stand in jedem Wahlkreis nur ein Kandidat zur Wahl für den Obersten Sowjet, nachdem er oder sie durch öffentliche Debatten bestimmt worden war. Am Wahltag musste der Kandidat mindestens 50 Prozent der Stimmen erhalten, um zu gewinnen. Erhielt ein Kandidat weniger als 50 Prozent der Stimmen, musste das Wahlverfahren wiederholt werden. Dies geschah jedoch nur selten. Die Kandidaten mussten nicht Mitglied der Kommunistischen Partei sein, und manchmal waren nicht einmal eine Mehrheit der auf allen Ebenen gewählten Abgeordneten Parteimitglieder.59

Neben dem Wahlsystem gab es in der Sowjetunion verschiedene Institutionen, die es der Bevölkerung ermöglichten, Einfluss auf die Führung des Landes zu nehmen. So gab es beispielsweise direkt gewählte und abwählbare Volkskontrollgruppen, die sich mit der wirtschaftlichen Leistung der Unternehmen und der Durchsetzung des staatlichen Rechts befassten, und Beschwerden der Arbeiter entgegennahmen. Solche Gruppen oder Ausschüsse gab es auf allen Regierungsebenen und waren ein Instrument des Volkes zur Kontrolle der Verwaltung.60

Ein weiterer wichtiger Aspekt der sowjetischen Demokratie war ihre Presse. Die Zeitungen erhielten zahlreiche Briefe aus der Bevölkerung, die sich über gesellschaftliche Missstände beschwerten, etwa über das Fehlverhalten von Partei- und Staatsfunktionären. Die Zeitungen waren verpflichtet, auf jeden Brief zu antworten und die Angelegenheit entweder selbst zu untersuchen oder sie an die zuständigen Institutionen weiterzuleiten. Oft gaben sie auch Rechtsauskünfte. In jedem Fall musste der Verfasser eines Briefes darüber informiert werden, was unternommen worden war, um den Grund seiner Beschwerde zu korrigieren.61

Trotz alledem wies das sowjetische System einige undemokratische Schwächen auf. Erstens waren Kritik am sozialistischen System im Allgemeinen und persönliche Angriffe gegen seine Spitzenpolitiker verboten.62 Dies war vor allem eine Reaktion auf die Tatsache, dass die Sowjetunion sich gegen westliche Destabilisierungsversuche verteidigen musste. Diese Methode ist jedoch nur zweitklassig im Vergleich zu einer grundlegenden Inspiration und Entwicklung des revolutionären Bewusstseins der Massen sowie der strukturellen Ausrottung von Gesellschaftselementen, die sich auf die Seite der Imperialisten stellen würden. Da es sich hier jedoch um Kritik auf hohem Niveau handelt, scheint die historische Anwendung bestimmter undemokratischer Maßnahmen aus sowjetischer Sicht vertretbar. Ein zweiter Punkt, der in der liberalen Sozialismuskritik häufig genannt wird, sind die strengen Auswanderungs- und Reisebeschränkungen in der Sowjetunion.63 Diese Angelegenheit hat zwei Aspekte. Da Chruschtschow und Breschnew einerseits nicht in der Lage waren, die Menschen für sozialistische Ideale zu begeistern, und stattdessen den Wunsch nach materiellem Komfort förderten, war es klar, dass sie gegen Menschen vorgehen mussten, die das Land aus wirtschaftlichen Gründen verlassen wollten. Dies ist eine Konsequenz eines rechtsopportunistischen Fehlers. Aber selbst wenn die Sowjetunion die Massenauswanderung nicht hätte einschränken müssen, hätte es wahrscheinlich Beschränkungen für Reisen in kapitalistische Länder gegeben, da dies ausländische Spionageaktivitäten ermöglicht und folglich eine Sicherheitsbedrohung dargestellt hätte.

Betrachtet man also nur die institutionelle Ebene, so kann nicht behauptet werden, dass Stalins Nachfolger die Rechte der Werktätigen auf politische Beteiligung systematisch beschnitten haben. Richtig ist jedoch, dass die sowjetische Politik qualitative Veränderungen erfuhr, d. h. eine schrittweise Bürokratisierung. Obwohl Chruschtschow und Breschnew die grundlegenden Rechte unangetastet ließen, wurde die tatsächliche Beteiligung des Volkes durch einen Prozess der Bürokratisierung schrittweise eingeschränkt. Restaurationisten würden argumentieren, dass dies ein bewusster Versuch war, die Macht in den Händen der „neuen Kapitalistenklasse“ zu konzentrieren. Eine andere Erklärung scheint jedoch plausibler: Als die sowjetische Wirtschaft größer und komplexer wurde, stieg der Bedarf an Expertenwissen. Dies wirkte sich auf die Volksdeputierten aus, die ihren Einfluss an die Exekutivkomitees der Sowjetunion verloren und deren Rolle sich darauf beschränkte, die Entscheidungen dieser technokratischen Exekutivorgane formal abzusegnen. Die Prozesse wurden formalisiert, und Kritik und Initiative der Delegierten waren immer weniger willkommen.64 Auch hier ist es in erster Linie ein rechtsopportunistischer Fehler, wenn es nicht gelingt, das Volk so weit auszubilden, dass es sich selbst ohne die Hilfe einer technokratischen Elite verwalten kann.

5 Beziehungen mit anderen Ländern

In diesem Kapitel werden wir uns mit den wirtschaftlichen und politischen Beziehungen der Sowjetunion zu anderen Ländern befassen. Manche Kommunisten sind verwirrt über ihre Definitionen von Kapitalismus und Imperialismus. Zwar sind sich die meisten Marxisten-Leninisten einig, dass der Kapitalismus in einem bestimmten Entwicklungsstadium den Imperialismus notwendig macht, doch reicht imperialistisches Verhalten allein nicht aus, um Kapitalismus zu beweisen. Imperialismus kann ebenso gut von politischen Motiven angetrieben werden, und selbst sozialistische Staaten können aus imperialistischem Verhalten kurzfristige Vorteile ziehen. Wenn sich ein sozialistisches Land imperialistisch verhält, nennen wir dies, wie bereits definiert, Sozialimperialismus, um ihn vom kapitalistischen Imperialismus abzugrenzen. Sozialimperialismus ist Rechtsopportunismus, und jeder Versuch, den Sozialimperialismus z. B. mit der Theorie der sozialistischen Arbeitsteilung zu rechtfertigen, ist Revisionismus. Revisionisten ignorieren meist die Tatsache, dass auch sozialistische Staaten Imperialismus betreiben können, und werden so zu Cheerleadern einer revisionistischen Außenpolitik. Da der Sozialimperialismus nicht von kapitalistischen wirtschaftlichen Motiven angetrieben wird, sieht er anders aus als der traditionelle Imperialismus. Vor diesem Hintergrund werden wir die politische und wirtschaftliche Außenpolitik der Sowjetunion untersuchen, um festzustellen, ob sie imperialistisch war, und wenn ja, ob dieser Imperialismus von kapitalistischen wirtschaftlichen Motiven oder von Rechtsopportunismus angetrieben wurde.

5.1 Wirtschaftliche Beziehungen

5.1.1 Mit sozialistischen Ländern

Die Restaurationisten behaupten, die Sowjetunion hätte andere sozialistische Länder wie Kolonien ausgebeutet. Sie hätte dies erreicht, indem sie sie wirtschaftlich abhängig gemacht und zu ungünstigen Handelsabkommen gezwungen hätte. Sie behaupten, die sozialistische Arbeitsteilung wäre ein Vorwand gewesen, um die Ressourcen dieser Länder abzubauen und ihnen im Gegenzug überteuerte Fertigwaren zu verkaufen.65

Wir werden zunächst den Handel der Sowjetunion mit den europäischen Mitgliedern des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) untersuchen. Betrachtet man die Wirtschaftsdaten von 1946 bis 1968,66 so stellt man fest, dass das Verhältnis zwischen Importen und Exporten der Sowjetunion über den gesamten Zeitraum hinweg schwankte. In manchen Jahren exportierte die UdSSR mehr als sie importierte, in anderen Jahren war es genau umgekehrt. Wenn der Vorwurf der kapitalistisch-imperialistischen Ausbeutung zuträfe, würde man erwarten, dass der Exportüberschuss der Sowjetunion nach dem Machtantritt Chruschtschows 1956 angestiegen wäre. Die Daten zeigen jedoch, dass der Exportüberschuss der Sowjetunion mit etwa 4,7 % ihrer Importe fast genau gleich geblieben ist. Wenn die Sowjetunion im kapitalistischen Sinne imperialistisch gewesen wäre, würde man auch erwarten, dass der Anteil der Rohstoffe an den Gesamtimporten nach Stalin zunahm. In Wirklichkeit war das Gegenteil der Fall. Der Anteil der Rohstoffe (einschließlich Nahrungsmittel) nahm während des gesamten Zeitraums nach 1955 kontinuierlich ab. Die Menge der von der Sowjetunion importierten Rohstoffe ist jedoch nicht wirklich aussagekräftig, da die Sowjetunion selbst reich an Rohstoffen war.

Eigene Zusammenstellung basierend auf Marer (1972).
Eigene Zusammenstellung basierend auf Marer (1972).
Eigene Zusammenstellung basierend auf Marer (1972).

Wenn wir den Handels der UdSSR mit den sozialistischen Ländern im Allgemeinen, einschließlich derjenigen, die nicht dem RGW angehörten, analysieren, sehen wir, dass der Exportüberschuss der UdSSR im Zeitraum zwischen 1956 und 1969 deutlich abnahm. Von 1946 bis 1955 exportierte die Sowjetunion insgesamt etwa 13,3 % mehr als sie importierte. Im darauf folgenden Zeitraum bis 1969 sank der Exportüberschuss auf 6,7 %. In den letzten Jahren der Tabelle ist ein Anstieg des Exportüberschusses zu verzeichnen, aber solche Ausschläge gab es auch schon unter Stalin.

Eigene Zusammenstellung basierend auf Marer (1972).

Die Handelsabkommen zwischen der UdSSR und anderen RGW-Ländern waren für die RGW-Partner tatsächlich vorteilhaft. Die Preise für Waren, die zwischen den RGW-Ländern gehandelt wurden, orientierten sich in etwa an den Weltmarktpreisen. Die sozialistischen Länder hatten keinen anderen objektiven Maßstab, um die Preise für ihre Waren zu bestimmen, da die nationalen Preise von den Staaten selbst festgelegt wurden und die jeweiligen nationalen Bedingungen widerspiegelten. Die europäischen RGW-Mitglieder subventionierten auch Kuba, die Mongolei und Vietnam, indem sie ihnen einen Markt für ihre Waren boten, die sie zu überhöhten Preisen einkauften.67 Restaurationisten weisen darauf hin, dass die Weltmarktpreise nicht in allen Fällen als Grundlage für den Handel zwischen den RGW-Ländern und der UdSSR dienten. Das stimmt. In einigen Fällen lagen die Preise über, in anderen unter dem Weltmarktniveau. Restaurationisten sehen dies als Beweis dafür, dass die Sowjetunion die Preise willkürlich wählte, um die RGW-Länder durch hohe Preise auszubeuten. Diese Frage wurde in empirischen Studien untersucht, wobei die Preise und Mengen aller zwischen der UdSSR und den RGW-Ländern gehandelten Güter berücksichtigt wurden. Die Ergebnisse zeigen, dass die Sowjetunion den RGW-Ländern insgesamt viel mehr für ihre Waren zahlte, als sie im Westen zu Weltmarktpreisen erhalten hätten. Selbst nach der Anpassung ihrer Ölpreise, die von den Restaurationisten als Imperialismus kritisiert wurde,68 verlangten die Sowjets von den RGW-Ländern immer noch nur ein Drittel des Weltmarktpreises.69 Darüber hinaus erhielten sozialistische „Dritte“-Welt-Länder allein im Jahr 1985 rund 5,865 Mrd. USD an Wirtschaftshilfe von der Sowjetunion, die aus direkten Barzahlungen, Kreditauszahlungen oder Handelssubventionen bestand.70

Restaurationisten können viele Einzelbeispiele für ungünstige Handelsabkommen zwischen der Sowjetunion und anderen sozialistischen Ländern nennen. Das Buch von Willi Dickhut ist eine gute Quelle dafür. Es stimmt also, dass sich die Sowjetunion in vielen Fällen nicht darum kümmerte, anderen Ländern so bei der Weiterentwicklung ihrer eigenen Industrien zu helfen, wie es möglich gewesen wäre. Für die Sowjets war es wahrscheinlich bequemer, deren Rohstoffe einfach zu importieren und mit den bereits vorhandenen Fabriken selbst Industriegüter herzustellen. Fairerweise sollten wir aber auch erwähnen, dass die RGW-Länder in der Tat unter zu großer Autarkie litten. Dies schuf Probleme, die durch eine für beide Seiten vorteilhafte Arbeitsteilung hätten gelöst werden können.71 Dennoch könnten bestimmte ungünstige Handelsabkommen das Ergebnis einer engstirnigen nationalistischen Denkweise gewesen sein und verdienen es, als rechtsopportunistisch bezeichnet zu werden, und wenn man argumentiert, dass sie zu einer langfristigen Abhängigkeit der RGW-Länder von der UdSSR führten, dann könnte man sie auch als sozialimperialistisch bezeichnen. Um aber zu argumentieren, dass die Sowjets eine langfristige wirtschaftliche Abhängigkeit der anderen sozialistischen Länder von sich selbst anstrebten, müsste man zunächst Abhängigkeit definieren. Danach muss man erklären, ob Abhängigkeit automatisch ein Akt des Imperialismus ist. Bringt zum Beispiel die gegenseitige Abhängigkeit ein einzelnes Land in eine günstige Position? Reicht die Tatsache der Abhängigkeit allein schon aus, um zu beweisen, dass ein Land ein anderes ausbeutet, wenn die Beziehung noch immer von gegenseitigem Nutzen ist? Kurz gesagt: Wer behauptet, die Sowjetunion hätte andere sozialistische Länder wie Kolonien ausgebuetet, müsste beweisen, dass ihre Handelspraktiken systematisch eine einseitige, ungünstige wirtschaftliche Abhängigkeit begünstigten. Wir sehen dies nicht als gegebene Tatsache an. Der sowjetische Handel mit anderen sozialistischen Ländern kam diesen Ländern in vielerlei Hinsicht zugute. Dennoch hat die Sowjetunion sicherlich rechtsopportunistische Fehler begangen, die einen Mangel an ideologischem Engagement widerspiegeln. Das Wirtschaftssystem eines Landes kann nur bis zu einem gewissen Grad die Art und Weise vorgeben, wie es mit anderen Ländern Handel treibt, und der Führung nach Stalin fehlte es an einer echten sozialistischen Denkweise. Dennoch ist festzustellen, dass Gewinne nicht der Hauptanreiz für Handel waren. Auch die Fälle von sowjetischem Rechtsopportunismus ähnelten nicht dem kapitalistischen Imperialismus. Generell ist es natürlich mehr als gerechtfertigt, bei der Abhängigkeit von einem ideologisch unsicheren Partner wie der Sowjetunion nach Stalin vorsichtig zu sein, da die Abhängigkeit zwar noch keinen Imperialismus und keine Ausbeutung an sich darstellt, aber die Voraussetzung dafür ist, dass sie entsteht.

5.1.2 Mit nicht-sozialistischen Ländern

Der sowjetische Außenhandel mit nicht-sozialistischen Ländern, insbesondere mit der „Dritten“ Welt, entspricht nicht dem, was wir von einem kapitalistisch-imperialistischen Land erwarten würden. Dennoch lassen sich Muster sozialimperialistischen Verhaltens erkennen.

Wie Albert Szymanski feststellte, unterschieden sich die sowjetischen Außenhandelspraktiken deutlich von denen der kapitalistisch-imperialistischen Länder. Bevor wir jedoch auf die Art des sowjetischen Außenhandels eingehen, sollte erwähnt werden, dass dieser in der sowjetischen Wirtschaft nur eine untergeordnete Rolle spielte. Im Jahr 1985 machten Exporte und Importe jeweils nur 4 Prozent des sowjetischen BNE aus. Darüber hinaus machte der Handel mit nicht-sozialistischen Ländern der „Dritten“ Welt zwischen 1965 und 1988 nur 10-15 Prozent des gesamten Außenhandels aus.72 Die Hauptmotivationen für den Handel mit Ländern der „Dritten“ Welt waren entweder die Pflege freundschaftlicher Beziehungen zu den angrenzenden Ländern oder die Unterstützung ideologisch gleichgesinnter Regierungen. Der Handel mit Ländern der „Dritten“ Welt konzentrierte sich auf relativ wenige Partner, hauptsächlich Indien, Iran, Irak, Syrien, Argentinien, Ägypten, Türkei, Afghanistan, Nigeria und Malaysia.73 Der Handel mit sozialistisch orientierten Ländern kam der UdSSR eher politisch als wirtschaftlich zugute.74 Profit spielte in der Regel keine Rolle bei der Bestimmung von Auslandsinvestitionen.75 Außerdem konnten in der Sowjetunion produzierten Waren sofort im Inland verwendet werden, da Vollbeschäftigung herrschte und keine Überproduktion stattfand. Außenhandel war also eigentlich eine Belastung für die sowjetische Wirtschaft. Die wichtigsten Merkmale der sowjetischen Außenwirtschaftsbeziehungen waren:

  • Sowjetischer Außenhandel bestand in der Regel aus bilateralen Verrechnungsabkommen, d.h. es wurde vereinbart, Waren auszutauschen, anstatt sie mit harter Währung zu kaufen oder zu verkaufen.
  • Die Sowjetunion war ein Markt für die Industriegüter der Länder der „Dritten“ Welt und gab ihnen damit einen Grund, in moderne Fabriken zu investieren.
  • Die Sowjetunion erwies sich als sehr flexibel bei Zahlungen, sowohl für ihre Waren als auch für ihre Kredite.
  • Die Sowjetunion besaß keine transnationalen Unternehmen in der „Dritten“ Welt, abgesehen von sehr seltenen Fällen von gemeinsamem Eigentum und gemeinsamer Produktion.

Auch die sowjetische Entwicklungshilfe (oft in Form von rückzahlbaren Krediten) brachte den Sowjets keine direkten wirtschaftlichen Vorteile. Die Zinssätze der sowjetischen Auslandskredite lagen in der Regel bei 2 bis 3 Prozent und waren damit viel niedriger als das inländische Wirtschaftswachstum. Das bedeutet, die Sowjets hätten das für die Kredite verwendete Kapital besser im Inland investieren können. Weitere Merkmale, welche die sowjetische Entwicklungshilfe von der kapitalistisch-imperialistischen unterschieden, waren:

  • Die Sowjets ließen sich ihre Kredite in Form von lokal produzierten Gütern zurückzahlen. Diese wurden oft in den Unternehmen produziert, die sie mit ihren Krediten aufgebaut hatten. Auf diese Weise konnte die Sowjetunion u. a. sicherstellen, dass ihre Hilfe ordnungsgemäß und nutzbringend verwendet wurde. Der Westen hingegen verlangte die Rückzahlung seiner Kredite in Form von harter Währung und zwang die Empfänger auf diese Weise, ihren Exportsektor auszubauen.
  • Während die sowjetische Entwicklungshilfe fast ausschließlich in den staatlichen Sektor floss und sich auf Industrieprojekte konzentrierte, förderten die USA fast ausschließlich die Entwicklung von Rohstoffproduktion und der entsprechenden Infrastruktur.
  • Die sowjetischen Auslandsinvestitionen halfen den Empfängern bei der Industrialisierung und verhinderten so eine internationale Arbeitsteilung, während der Westen die Länder zum Export von Ressourcen zwang. Dieser Punkt wird später relativiert, wenn wir über die sozialimperialistischen Tendenzen im sowjetischen Außenhandel sprechen.
  • Die Sowjets bildeten lokale Techniker und Technikerinnen aus und verringerten so die Abhängigkeit ihrer Handelspartner.76

Diese Praktiken stellen zwar keinen kapitalistischen Imperialismus im leninistischen Sinne dar, aber dennoch gibt es einige Aspekte des sowjetischen Außenhandels, die auf einen rechtsopportunistisch motivierten Sozialimperialismus hindeuten:

  • Die Sowjetunion exportierte vor allem Maschinen und Rüstungsgüter in nicht-sozialistische Länder im Tausch gegen tropische Lebensmittel und Rohstoffe.77
  • Manchmal exportierte die UdSSR sogar Waffen an Regierungen, die sie zur Unterdrückung der eigenen Bevölkerung oder speziell kommunistischer Bewegungen einsetzten.78
  • Bis Mitte der 1970er Jahre bestand der Handel mit Ländern der „Dritten“ Welt in erster Linie aus bilateralen Verrechnungsabkommen. Anfang der 1980er Jahre zog die Sowjetunion jedoch Zahlungen in harter Währung vor.
  • In den 1970er Jahren ging die Einfuhr von Industriegütern aus Ländern der „Dritten“ Welt noch weiter zurück.
  • Und schließlich exportierte die Sowjetunion während der gesamten 1980er Jahre mehr, als sie importierte.79 Dieser Punkt ist jedoch etwas zweideutig, da die Sowjetunion oft großzügige Spenden an bestimmte Länder machte.

Von besonderem Interesse ist die Rolle sowjetischer Auslandsbanken, da sie im Ausland kapitalistische Geschäfte machen konnten. Auslandsbanken können in einem sozialistischen Land verschiedene Zwecke erfüllen. Sie dienen vor allem der Erleichterung des Außenhandels,80 können aber auch zur Finanzierung fortschrittlicher Gruppen im Ausland eingesetzt werden. In der Sowjetunion gab es bereits unter Lenin und Stalin Auslandsbanken. Ihr Umfang und ihr Gewinn nahmen jedoch ab Chruschtschow erheblich zu, was auf die zunehmende wirtschaftliche Integration der Sowjetunion in das kapitalistische Weltsystem zurückzuführen war. Im Kontext sozialimperialistischer Tendenzen dienten die sowjetischen Auslandsbanken hauptsächlich als Kreditgeber für die Länder der sogenannten „Dritten“ Welt. Diese Kredite wurden von den Ländern dann häufig für den Kauf von Maschinen aus der Sowjetunion verwendet. Und wie bereits erwähnt, ließ sich die UdSSR diese Kredite häufig mit tropischen Lebensmitteln und Rohstoffen zurückzahlen.

5.2 Politische Beziehungen

Bislang deutet weder unsere Analyse der sowjetischen Wirtschaft noch des sowjetischen Außenhandels auf eine kapitalistische Produktionsweise hin. Einige Aspekte der sojwetischen Handelsbeziehungen hatten jedoch einen rechtsopportunistischen und sozialimperialistischen Charakter. In diesem Unterkapitel soll schließlich untersucht werden, ob sich ein solcher sozialimperialistischer Charakter auch in den politischen Außenbeziehungen der Sowjetunion finden lässt. Diese Frage würde zwar eine detaillierte Analyse der sowjetischen Außenbeziehungen zu allen Ländern in ihrem Einflussbereich erfordern, aber das würde den Rahmen dieser Arbeit sicher sprengen. Stattdessen werden wir von der Annahme ausgehen, dass die Sowjetunion nicht inhärent sozialimperialistisch war. Wäre dies der Fall gewesen, wäre sie in Jugoslawien oder Albanien einmarschiert, nachdem diese sich von ihrer Hegemonie gelöst hatten. Sie hätte Rumänien auch nicht erlaubt, dem IWF beizutreten und gute Beziehungen zur Volksrepublik China zu unterhalten. Obwohl das Beispiel der UdSSR sicherlich Einfluss auf die Politik der verbündeten sozialistischen Länder hatte, behielten diese ihre politische Autonomie innerhalb der Grenzen des Sozialismus bei.81 Dies ergänzt die Ergebnisse unserer Handelsanalyse, die auf einige sozialimperialistische Tendenzen innerhalb eines allgemein prinzipienhaften Verhaltens hinweist. Wir sollten auch erwähnen, dass die Sowjetunion während ihrer gesamten Existenz oft eine progressive Rolle auf internationaler Ebene spielte, indem sie fortschrittliche Bewegungen unterstützte.

Die meisten Sozialisten sind sich einig, dass militärische Interventionen und Sozialismus sich nicht gegenseitig ausschließen. Zum Beispiel betrachten Marxisten-Leninisten den chinesischen Militäreinsatz gegen den Aufstand in Tibet im Allgemeinen als fortschrittlich und gerechtfertigt und nicht als einen Akt des Sozialimperialismus. Und doch bezeichnen Restaurationisten das sowjetische Militärengagement in anderen Ländern oft als genau das. Dennoch muss jede sowjetische Intervention einzeln analysiert werden, um festzustellen, ob sie von einem prinzipiellen sozialistischen Standpunkt aus legitim war, oder ob sie rechtsopportunistisch motiviert war, um nationalistische Ziele zu erreichen.

Die folgenden historischen Darstellungen sind kurz gehalten. Wir haben auch nicht alle Fälle berücksichtigt, in denen die Sowjetunion ihre militärischen Kräfte für politische Zwecke einsetzte. Eine detailliertere Analyse der Ereignisse hätte einige interessante Fragen beantworten und ihnen mehr Substanz verleihen können. Da dies jedoch nicht notwendig war, um den Charakter der Ereignisse zu bestimmen, haben wir diesen Teil kurz gehalten, um Zeit zu sparen. Jedes dieser Ereignisse sowie die kleineren, die wir ausgelassen haben, sind sehr interessant und lehrreich und verdienen sicherlich ihre eigene Analyse.

5.2.1 DDR 1953

Obwohl es sich um ein oft übersehenes Ereignis handelt, wollen wir die Niederschlagung des Aufstands vom 17. Juni 1953 ansprechen. Einige Restaurationisten führen sie als Beispiel für den sowjetischen Imperialismus an, obwohl sie nur wenige Monate nach Stalins Tod stattfand, zu einer Zeit, als Chruschtschow noch nicht an die Macht gekommen war und noch Stalins Anhänger die UdSSR regierten.

Am 16. und 17. Juni 1953 streikten ostdeutsche Bauarbeiter, um gegen die Erhöhung der Arbeitsquoten zu protestieren. Den spontanen Aktionen schloss sich die breite Bevölkerung an, um Kritik am sozialistischen Regime im Allgemeinen zu äußern. Schließlich marschierten die Demonstranten sogar gegen staatliche Einrichtungen. Wie die meisten Sozialisten damals betrachtete auch die Sozialistische Einheitspartei der DDR (SED) die politische Opposition durch das Polizeiparadigma, was bedeutet, dass jeglicher Widerstand gegen das System als das Werk äußerer Kräfte angesehen wurde, die den Sozialismus zu sabotieren versuchten, und nicht als das Ergebnis von Widersprüchen innerhalb der sozialistischen Gesellschaft. Daher hatten die Behörden keine bessere Lösung für die Proteste, als sie mit Hilfe des im Lande stationierten sowjetischen Militärs zu unterdrücken, da Ostdeutschland so kurz nach dem Zweiten Weltkrieg nur über begrenzte eigene Sicherheitskräfte verfügte.82 Dieser Vorfall kann weder als kapitalistischer Imperialismus noch als Sozialimperialismus bezeichnet werden. Wenn überhaupt, dann verteidigten die Sowjets damals nur ihr legitimes Sicherheitsinteresse in Ostdeutschland. Sie handelten nicht in ihrem eigenen wirtschaftlichen oder nationalistischen Interesse, sondern zur Unterstützung des ostdeutschen Regimes. Selbst wenn wir davon ausgehen, dass die sowjetische Führung, die direkt auf Stalin folgte, bereits zutiefst revisionistisch war, ist es schwer vorstellbar, dass eine prinzipientreue sozialistische Verwaltung, die denselben Fehler des Polizeiparadigmas begeht, wesentlich anders gehandelt hätte. Der Vorfall ist nach wie vor ein klares Beispiel für Rechtsopportunismus, da es einfacher ist, Forderungen der Bevölkerung zu ignorieren und gewaltsam zu unterdrücken, sobald sie zu groß werden, um sich mit der Bevölkerung auseinanderzusetzen. Aber wir werden diese Debatte für eine spätere Forschungsarbeit über die Deutsche Demokratische Republik aufsparen.

5.2.2 Ungarn 1956

Der so genannte „Ungarische Volksaufstand“ von 1956 ähnelte in seinem Wesen dem ostdeutschen Aufstand, war aber viel weiter fortgeschritten. Wie in der DDR waren die Arbeiter und die breite Bevölkerung unzufrieden mit dem Kurs der regierenden Ungarischen Arbeiterpartei (MDP). Und wie in der DDR begannen die Proteste spontan. Doch diesmal dauerten sie wochenlang an, mit antikommunistischer Propaganda und Gewalt, bis die Ungarische Arbeiterpartei de facto auseinanderfiel. Die alten bürgerlichen Parteien waren bereit, an ihre Stelle zu treten. Diese Situation stellte eine ernsthafte Bedrohung für den Sozialismus und die Sicherheit des sozialistischen Lagers dar. Vor diesem Hintergrund erscheint die sowjetische Intervention in Ungarn am 4. November gerechtfertigt, auch wenn sie mit militärischen und volksfeindlichen Mitteln durchgeführt wurde, da sich die Sowjets sogar gegen die parteifeindliche Bewegung der Arbeiterräte stellten. Sogar China und Jugoslawien verteidigten damals die Intervention als einen Akt internationaler Solidarität.83 Natürlich kann man argumentieren, dass die Intervention – obwohl sie durch das Sicherheitsinteresse der Sowjets gerechtfertigt war – bei ihrer Durchführung unter rechtsopportunistischen Fehlern litt. So ist beispielsweise kritisch zu hinterfragen, warum die Sowjetunion es für angebracht hielt, sich gegen die allgemein sozialistisch gesinnte Bewegung der Arbeiterräte zu stellen. Durch einen Dialog mit dem Volk hätte eine neue sozialistische Regierungspartei geschaffen werden können, die dem Volk weniger entfremdet gewesen wäre als die letzte, die im Grunde gestürzt wurde.

5.2.3 Tschechoslowakei 1968

In der Zeit zwischen 1966 und 1968 führte das tschechoslowakische Regime Reformen durch, welche die Intelligenz stark begünstigten und weder von der Arbeiterklasse unterstützt wurden noch in ihrem Interesse waren. Die Reformen waren vor allem wirtschaftlicher Natur und zielten darauf ab, die Autonomie der Manager zu erhöhen und gleichzeitig Mitbestimmung und Rechte der Arbeiter zu beschneiden. Diese Pläne hätten, wenn sie vollständig umgesetzt worden wären, wahrscheinlich zu einer kapitalistischen Restauration in der Tschechoslowakei geführt. Ab 1966 protestierte die Arbeiterklasse gegen diese Reformen, da sie spürte, dass sie in klarem Gegensatz zu ihren Interessen standen. Ab 1965 näherte sich die Tschechoslowakei auch politisch dem Westen an, erlaubte die Ausstrahlung von US-Fernsehsendungen und versuchte, freundschaftliche Beziehungen zu den NATO-Ländern aufzubauen, während sie sich immer mehr vom Warschauer Pakt distanzierte. Am 21. August 1968 marschierten die Sowjetunion, die Volksrepublik Polen, die Volksrepublik Bulgarien und die Ungarische Volksrepublik nach wiederholten Warnungen in die Tschechoslowakei ein, um die liberal gesinnten Reformer von der Macht zu entfernen. Obwohl sich die tschechoslowakische Bevölkerung gegen die militärische Intervention ausgesprochen hatte, begrüßte sie später die Politik, welche die Sowjets der neuen Regierung aufzwangen. Auch hier hatte die Sowjetunion keine direkten wirtschaftlichen Vorteile von der Intervention, sondern wehrte eine realistische Bedrohung für den Sozialismus und die Sicherheit des sozialistischen Blocks ab.84

Menschen demonstrieren gegen die sojwetische Invasion in der Tschechoslowakei, Prag, August 1968.

5.2.4 Afghanistan 1979

Die sowjetische Intervention in Afghanistan ist neben der Intervention in der Tschechoslowakei wohl das am häufigsten zitierte Beispiel für den „sowjetischen Imperialismus“. Um festzustellen, wie treffend diese Charakterisierung wirklich ist, muss man sich jedoch die Ereignisse und ihren Hintergrund genauer ansehen.

Afghanistan war, trotz wechselnder Regierungen, einer der ersten Verbündeten der Sowjetunion, da ihre Beziehungen bis in die 1920er Jahre zurückreichten. Am 26. April 1978 kam die sozialistische Demokratische Volkspartei Afghanistans (DVPA) durch die Mobilisierung ihrer Anhänger im Militär an die Macht, nachdem das frühere Daud-Regime angesichts der wachsenden Unterstützung der Bevölkerung für die Kommunisten die Verhaftung der DVPA-Führer angeordnet hatte. Dieses Ereignis, das auch als Saur-Revolution bekannt ist, fand ohne jegliche sowjetische Beteiligung statt.85 Die DVPA hatte gute Beziehungen zur Sowjetunion, war aber in zwei verfeindete Fraktionen gespalten: die Hardliner der Khalq und die gemäßigten Parcham. Nach der Revolution sicherten sich die Khalq die Macht und verdrängten die Parcham-Mitglieder aus wichtigen Positionen. Die DVPA führte weitreichende Reformen wie eine Landreform und Alphabetisierungskampagnen durch, von denen vor allem Bauern und Frauen profitierten. Doch die Partei, die vor allem in den städtischen Gebieten Unterstützung fand, unterschätzte die konservative Mentalität auf dem Land, so dass ihre Reformen auf Widerstand stießen. Unter dem Einfluss reicher Mullahs und Großgrundbesitzer töteten islamistische Reaktionäre auf dem Land beispielsweise Lehrer und brannte Schulen nieder. Anstatt ihren Ansatz zu ändern, versuchte die DVPA, ihre Reformen mit Gewalt durchzusetzen. Vor der sowjetischen Intervention bat die afghanische Regierung vierzehn Mal die Sowjetunion um militärische Unterstützung gegen die reaktionären Kräfte. Die Sowjetunion lehnte dies jedoch ab, da sie dem harten Kurs der Khalq kritisch gegenüberstand und stattdessen einen gemäßigteren Kurs befürwortete. Während seines Besuchs in Moskau erklärte sich der afghanische Führer Nur Muhammad Taraki zu einer gemäßigten Haltung des Regimes bereit, wurde aber nach seiner Rückkehr nach Afghanistan von Anhängern des Hardliners Hafizullah Amin getötet, der dann selbst die wichtigsten Regierungsposten besetzte.86 Zu dieser Zeit könnte die Sowjetunion begonnen haben, Amin eher als Belastung denn als Bereicherung zu betrachten, und daher möglicherweise Pläne geschmiedet haben, ihn durch einen gemäßigteren Politiker zu ersetzen. Dies wird jedenfalls oft von westlichen Historikern behauptet.87 Ob die Ermordung Amins von den Sowjets von langer Hand geplant war oder das Ergebnis eines parteiinternen Kampfes war, ist umstritten. Am 24. Dezember 1979 erklärte sich die Sowjetunion jedoch bereit, auf der Seite des afghanischen Militärs zu intervenieren, und kurz darauf wurde Amin durch den gemäßigten Babrak Karmal ersetzt.

Man kann mit Sicherheit sagen, dass die sowjetische Intervention notwendig war, um zu verhindern, dass Afghanistan von gewalttätigen Reaktionären übernommen wurde. Vielleicht befürchtete die Sowjetunion auch, dass die radikal-islamistische Ideologie der Reaktionäre auf muslimische Regionen in ihrem eigenen Hoheitsgebiet übergreifen würde. Die Intervention ist kaum als imperialistisch einzustufen, da die Sowjetunion nur ein geringes strategisches Interesse an dem Land hatte. Außerdem unterhielt die UdSSR, wie auch zu anderen verbündete Länder, großzügige Wirtschaftsbeziehungen zu Afghanistan.88 Selbst die Tatsache, dass sowjetische Streitkräfte Amin direkt getötet haben könnten, scheint zumindest teilweise gerechtfertigt: Nicht nur bedrohte seine unpopuläre Politik die Stabilität Afghanistans, sondern die DVPA und die Sowjetunion hatten auch gute Gründe zu glauben, dass Amin ein CIA-Agent war, was sogar westliche Quellen nahelegen.89

Sowjetische Truppen in Afghanistan steigen in einen Helikopter von Valeri Pizhanski, CC BY-SA 2.0, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Soviet_troops_boarding_a_helicopter_in_Afghanistan.jpg

5.2.5 Polen 1981

Angesichts der anhaltenden Proteste gegen das Regime drängte die Sowjetunion Polen 1981 zur Wiederherstellung der Ordnung, was schließlich zur Verhängung des Kriegsrechts führte. Dazu hatte die UdSSR strenge Warnungen an die polnische Führung gerichtet und sogar Truppen an der polnischen Grenze mobilisiert, um zu signalisieren, dass sie bereit sei, notfalls einzumarschieren.90 Um festzustellen, ob dieses Verhalten als sozialimperialistisch bezeichnet werden kann, müssen wir den Kontext betrachten.

Die Solidarnosc-Bewegung ist zwar aus einem echten Kampf der Arbeiter gegen die Misserfolge der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (PZPR) hervorgegangen, wurde aber bald von liberalen und rechtspopulistischen Kräften vereinnahmt. In dem Bemühen, einen möglichst großen Teil der Bevölkerung hinter sich zu vereinen, machten ihre Führer widersprüchliche Versprechungen, wie etwa mehr Konsum bei weniger Arbeit. Ursprünglich forderte die Solidarnosc nur Wirtschaftsreformen ähnlich denen in Jugoslawien, doch später wurde sie zunehmend prowestlich und setzte sich mehr und mehr für den Sturz des sozialistischen Systems und den Austritt aus dem Warschauer Pakt ein. Die Sowjetunion ließ dies alles zu und beschloss erst dann einzugreifen, als die Sicherheit des sozialistischen Blocks gefährdet war. Die bürokratische und mitunter korrupte PZPR ist für diese Ereignisse verantwortlich, da sie die Unzufriedenheit der Bevölkerung, die sich bereits seit Jahrzehnten abzeichnete, ignorierte. Nur durch ihre Nachlässigkeit konnte sich überhaupt eine prowestliche Bewegung entwickeln. Was die Sowjetunion tat, war im Wesentlichen Schadensbegrenzung. Zwar war Rechtsopportunismus letztlich der Grund für die (angedrohte) Intervention, doch war es in Wirklichkeit der Rechtsopportunismus der polnischen und nicht der sowjetischen Führung. Die sowjetische Intervention scheint daher aus Sicht der UdSSR gerechtfertigt, da sie ein Abgleiten Polens in eine liberale Katastrophe verhinderte und zur Aufrechterhaltung der Sicherheit des sozialistischen Blocks in Europa beitrug. Die Sowjetunion zog auch keinen kurzfristigen wirtschaftlichen Nutzen aus der Intervention, da sie die polnische Wirtschaft wie zuvor weiter subventionierte.

6 Dialektische Analyse der Sowjetischen Gesellschaft

Im ersten Kapitel haben wir bewusst das Wachstum der kapitalistischen Wirtschaft innerhalb des Feudalismus als Beispiel gewählt, um zu zeigen, dass die Marxisten diese Gesetze nicht einfach aus der Luft gegriffen haben, um ihre eigenen Ziele zu rechtfertigen. Die bolschewistische Revolution war nicht einfach nur ein weiterer Putsch, der nur oberflächliche Veränderungen in der herrschenden Elite brachte, ohne die Grundlagen der Gesellschaft zu berühren. Ganz im Gegenteil, sie entwickelte sich nach denselben Prinzipien quantitativer Veränderungen, die sich innerhalb der alten Gesellschaft aufbauten, wie sie zuvor im Fall des Feudalismus beschrieben wurden. Die Bedingungen, die zur bolschewistischen Revolution führten, sollten jedem marxistischen Leser bekannt sein und sollen hier nur kurz skizziert werden. Die wachsende Bedeutung der modernen, industriellen Bourgeoisie führte zu einem plötzlichen Anstieg der Produktivkräfte, der durch die bestehende Staatsform des zaristischen Absolutismus behindert wurde. Dies verschärfte die inneren Widersprüche des Russischen Reiches und brachte seine Totengräber hervor: das moderne Industrieproletariat. Der Klassenkampf verschärfte sich und führte zur Schaffung neuer Formen der politischen Organisation, wie dem System der Arbeiterräte (Sowjets) mit ihrer separaten Alternativregierung. Darüber hinaus erwies sich die bäuerliche Klasse, die aufgrund ihrer technologischen Rückständigkeit hinter der westlichen Landwirtschaft zurückblieb und der starken Unterdrückung durch die Klasse der Grundbesitzer und Kulaken ausgesetzt war, als wichtiger Verbündeter des Proletariats beim Sturz des Systems. Des Weiteren trug die Kriegsmüdigkeit wesentlich zum Aufkommen der antizaristischen Stimmung im Volk bei, welche die Bolschewiki nutzten, um die Unterstützung der Bevölkerung für ihre Sache zu gewinnen. Dieses allmähliche Gewinnen der Unterstützung des Volkes bedeutete, dass die proletarische Klasse ihre soziale Basis erweiterte, die Widersprüche des zaristischen Systems Stück für Stück ausnutzte und den Boden für die tatsächliche Machtübernahme im Jahr 1917 bereitete. Es ist ein Irrglaube einiger Marxisten, die Revolution nur als den Moment zu betrachten, in dem die Bolschewiki tatsächlich die Macht übernahmen. Dies steht im Gegensatz zu dem, woran die Sowjetbehörden selbst glaubten. Im Jahr 1921 schrieb Lenin:

„Es hat wohl noch keinen Menschen gegeben, der sich die Frage nach der Wirtschaft Rußlands gestellt und dabei den Übergangscharakter dieser Wirtschaft bestritten hätte. Kein einziger Kommunist hat wohl auch bestritten, daß die Bezeichnung Sozialistische- Sowjetrepublik’ die Entschlossenheit der Sowjetmacht bedeutet, den Übergang zum Sozialismus zu verwirklichen, keineswegs aber, daß die jetzigen ökonomischen Zustände als sozialistisch bezeichnet werden.“91

Treffen der Bolschewiki, Juli 1921.

In Anlehnung an das direktionale Modell des Sozialismus identifizieren einige Marxisten und einige frühere LLCO-Schriften diese Übergangsperiode als die neue Produktionsweise, den Sozialismus, selbst. Russland wurde irgendwie sofort sozialistisch, nur weil es sich in diesem Übergangszustand befand, indem es sich „in die Richtung“ des Kommunismus bewegte. Wie aus dem obigen und zahlreichen anderen Zitaten deutlich hervorgeht, wurde diese Ansicht weder von den sowjetischen noch von den chinesischen Behörden zu jener Zeit vertreten. Sie ist vielmehr viel später entstanden und stellt eine Abweichung von der klassischen marxistischen Theorie dar. Die ersten Anzeichen der sozialistischen Produktionsweise lassen sich bis zum Start des ersten Fünfjahresplans im Jahr 1928 zurückverfolgen, der die Neue Wirtschaftspolitik der Sowjetunion beendete. Die sowjetischen Behörden selbst sprachen jedoch erst 1936, als der zweite Fünfjahresplan schon längst umgesetzt und die so genannte Stalin-Verfassung verabschiedet worden war, wirklich vom Ende der revolutionären Periode und der Errichtung der sozialistischen Gesellschaft. Nehmen wir sie beim Wort und gehen wir davon aus, dass 1936 ungefähr der Zeitpunkt ist, an dem die sozialistische Produktionsweise fest etabliert wurde.

Auf diese Weise fand die erste erfolgreiche sozialistische Revolution in einem Land statt, in dem Marx sie nicht vorhergesagt hätte. Russlands Wirtschaft war weder voll industrialisiert, noch gab es eine proletarische Mehrheit. Nun hat die Geschichte gezeigt, dass eine sozialistische Revolution in einem rückständigen, vom Imperialismus geplagten Land nicht nur möglich ist. Eine Revolution ist in diesen Ländern im Vergleich zu anderen, in denen die kapitalistische Entwicklung weiter fortgeschritten ist, sogar wahrscheinlicher. Ein wichtiger Grund dafür ist, dass die Bourgeoisie in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern ideologisch viel stärker mit dem Kapital verbunden ist und ihr Widerstand gegen sozialistische Revolutionen daher härter sein wird; im vor-sowjetischen Russland hingegen war die kapitalistische Entwicklung unreif und schwach.

Obwohl das relativ kleine Proletariat in der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution eine führende Rolle spielte, gab es im Land immer noch eine bäuerliche Mehrheit, die zuvor unter feudalen Bedingungen gelebt hatte. Da wir wissen, dass die Neue Macht aus dem Proletariat hervorgeht, können wir nun verstehen, warum der historische Sozialismus anscheinend von einem Mangel an Ideologie geplagt war. Das ist ein immer wiederkehrendes Thema in seiner gesamten Existenz. Der Personenkult um Stalin, Mao und andere Führer war bis zu einem gewissen Grad ein Ersatz für Klassenbewusstsein.92 Und die Große Proletarische Kulturrevolution zum Beispiel ging direkt auf das fehlende sozialistische Bewusstsein in China ein.

In gewissem Sinne war der ideologische Verfall nach Stalin nicht eine Folge von Chruschtschows Politik, sondern ein Mangel an Klassenbewusstsein ging ihr voraus. Trotz ihrer Bemühungen, die Selbstverwaltung zu fördern und die Bürokratie zu bekämpfen, gelang es dem sowjetischen Sozialismus unter Lenin und Stalin nicht, die Initiative der Massen von unten zu institutionalisieren. Dieser Fehler sollte später von Mao behoben werden, der wusste, dass der Sozialismus ein dynamischer Prozess ist und sein muss, um eine Bürokratisierung zu vermeiden. Darüber hinaus wurde die sozialistische Gesellschaft in der Sowjetunion als eine Maschine betrachtet, die genau so funktioniert, wie sie soll, sofern sie nicht durch äußere Kräfte sabotiert wird. Diese Metapher prägte das polizeiliche Vorgehen in der Stalinzeit. Doch die Bürokratisierung, die auf das Fehlen von Masseninitiative und das Ignorieren interner Widersprüche folgen musste, konnte dank Stalins prinzipientreuer Führung und Persönlichkeit eine Zeit lang abgewendet werden. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die von ihm hinterlassene Lücke von Opportunisten gefüllt werden würde. Nach Stalin sehen wir eine riesige Arbeiterklasse, die vor einigen Jahrzehnten noch weitgehend aus Bauern bestand. Sie hatte die Ausbeutung des Industrieproletariats im Kapitalismus nie wirklich kennen gelernt und verfügte daher nicht über eine echte sozialistische Mentalität. Außerdem hatte das sowjetische Volk gerade einen zermürbenden Krieg gegen die Nazis hinter sich und erlebte die eher autoritären Jahre von Stalins Führung.93 Es ist keine Überraschung, dass ein charismatischer Opportunist wie Chruschtschow unter diesen Umständen an die Macht kam. Und obwohl er Lüge und Täuschung einsetzte, um seine Position zu festigen, appellierte er an die Gefühle der Bevölkerung. Er maß den wirtschaftlichen Erfolg der Sowjetunion gegen den der Vereinigten Staaten und verlagerte so den Fokus von kommunistischen Idealen auf Konsum. Da die Menschen bereits genug Grund hatten, mit dem gegenwärtigen Zustand der sowjetischen Gesellschaft zufrieden zu sein, und es ihnen oft an einer echten sozialistischen Mentalität mangelte, war es für sie ein Leichtes, ihre Aufmerksamkeit auf ihre eigenen unmittelbaren materiellen Bedingungen zu lenken und von abstrakten egalitären Zielen abzulenken. Darüber hinaus strebte Chruschtschow friedliche Beziehungen mit der kapitalistischen Welt an. Wir können uns vorstellen, dass eine solche Politik populär war in einer Gesellschaft, die nur zehn Jahre zuvor 27 Millionen Menschen durch einen Krieg verloren hatte. Wenn man die Möglichkeit einer nuklearen Konfrontation in Betracht zieht, ist seine Position sogar einigermaßen vernünftig, vor allem wenn man bedenkt, dass die Sowjetunion trotz ihrer öffentlichen Äußerungen weiterhin vielversprechende Befreiungsbewegungen im globalen Süden unterstützte.94 Viele Menschen erinnerten sich auch noch an den Bürgerkrieg, der etwas mehr als 35 Jahre vor Chruschtschows Machtantritt stattfand. Seine revisionistische Idee eines „Staats des ganzen Volkes“ könnte den Menschen also gefallen haben, weil sie ein friedliches soziales Umfeld versprach. Chruschtschow sprach nicht nur den Wunsch des Volkes nach Frieden und Konsumgütern an, sondern auch den Wunsch der Partei- und Staatsfunktionäre nach Sicherheit, da sie die Hauptopfer der Repressionen unter Stalin waren.95 Nach Stalin musste sich die sowjetische Führung zwischen zwei Wegen entscheiden: dem revisionistischen Weg, der darauf abzielte, den sozialistischen Staat mit den bewährten Mitteln mehr oder weniger auf seinem jetzigen Niveau zu verwalten und zu erhalten, und der schließlich die Grundlage für die kapitalistische Restauration schaffen würde – oder dem sozialistischen Weg, der darauf abzielt, in den Massen ein neues revolutionäres Bewusstsein zu wecken und die Gesellschaft von unten weiter umzugestalten, selbst auf Kosten der Stabilität. Aus unserer historischen Analyse wird deutlich, warum die Sowjetunion den Weg des Revisionismus eingeschlagen hat. Zu seinen Lebzeiten gelang es Stalin nicht, seinen Kampf gegen die Bürokratie zu institutionalisieren.96 Der sowjetische Sozialismus stagnierte. Man könnte gerechtfertigterweise behaupten, dass die Sowjetunion bereits in den späteren Jahren von Stalins Führung eine revisionistische Wende vollzog. Obwohl Chruschtschow die Doktrin der friedlichen Koexistenz einführte, war Stalin bereits sehr vorsichtig bei der Unterstützung fortschrittlicher Bewegungen im Ausland, da er keinen Krieg mit den Vereinigten Staaten riskieren wollte.97 Unter Stalin wiesen die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Sowjetunion und ihren osteuropäischen Verbündeten eindeutig imperialistische Tendenzen auf. Diese Politik wurde von den Sowjets als Entschädigung für die im Zweiten Weltkrieg erlittenen Schäden angesehen. So verlangte die UdSSR beispielsweise von Jugoslawien harsche wirtschaftliche Zugeständnisse, obwohl das Land nicht einmal mit Nazideutschland kollaboriert hatte. Erst nach Stalin, Mitte der 1950er Jahre, beendeten die Sowjets diese Praxis.98 Ein weiteres Beispiel für Stalins Hinwendung zum Revisionismus ist seine berüchtigte Unterstützung für Israel.99 Chruschtschows Revisionismus sollte jedoch immer neuen Revisionismus nach sich ziehen, und die Probleme schraubten sich in die Höhe. Chruschtschows Fokus auf Konsum weckte bürgerliche Wünsche in den Menschen, die er auf Dauer nicht erfüllen konnte. Seine Vorstellung von einem Staat des ganzen Volkes ließ die Arbeiterklasse ihre Wachsamkeit gegenüber der Möglichkeit einer kapitalistischen Restauration verringern. Breschnews Widerwille, den Schwarzmarkt zu bekämpfen, der Konsumgüter lieferte, ließ ihn zu einem Nährboden und einer Finanzquelle für kapitalistische Meinungen und Ideen werden.100

Doch Gesellschaften ändern sich nicht, indem jemand mit den Fingern schnippt. Der Kapitalismus ist nicht vorbei, nur weil das Proletariat den Markt untergräbt, indem es Gemeinschaftsgärten einrichtet. Ebenso endete der Sozialismus in der Sowjetunion erst, als Gorbatschow dem Einfluss einer Proto-Bourgeoisie nachgab, die im Schatten des Schwarzmarktes lauerte und ihre Krallen in Politik und Wissenschaft ausstreckte. Die revisionistische Politik schuf eine wirtschaftliche Basis, die einen immer bürgerlicheren Überbau förderte. Die Restauration des Kapitalismus war ein Prozess, der hätte aufgehalten werden können. Die Stalin-Regierung hatte die Wirtschaft nach der NÖP-Zeit verstaatlicht, aber seine ideologisch schwachen Nachfolger waren nicht in der Lage, angemessen auf die wirtschaftlichen Herausforderungen zu reagieren. Die Politik von Chruschtschow und Breschnew war keine Restauration des Kapitalismus, sondern Rechtsopportunismus – eine einfache und prinzipienlose Lösung für ein komplexes Problem. Denn selbst nach diesen Reformen, die zweifellos eine kapitalistische Denkweise förderten, fehlten der sowjetischen Wirtschaft immer noch wesentliche Merkmale des Kapitalismus, z. B. Produktionsentscheidungen, die ausschließlich auf der Grundlage von Profiten getroffen wurden, und eine Akkumulation von Reichtum, die sich in wachsender Ungleichheit niederschlug. Die Vorstellung, Chruschtschow und seine kleine Clique von Parteieliten hätten den Kapitalismus im Alleingang wiederhergestellt, ist ein Symptom der liberalen „Theorie des großen Mannes“ und verkennt es, die gesellschaftliche Entwicklung aus einer dialektischen Perspektive zu betrachten. Quantitative Veränderungen zugunsten des Kapitalismus sind noch nicht gleichbedeutend mit einer kapitalistischen Restauration. Die Restaurationisten mögen überzeugende Belege dafür anführen, dass die Partei- und Regierungsführung nach Stalin bei zahlreichen Gelegenheiten opportunistisch gehandelt und auf diese Weise den Boden für die kapitalistische Restauration in den späteren Jahren bereitet hat. Aber sie sollten nicht für mehr gehalten werden, als sie waren: quantitative Veränderungen, ein Erstarken der konterrevolutionären gesellschaftlichen Basis in einer unvollkommenen sozialistischen Gesellschaft. Sie waren in der Tat eine langfristige Ursache für die eigentliche Konterrevolution in den späteren Jahren, aber sie waren nicht unbedingt selbst konterrevolutionär. Nur weil die Sowjetunion ihr progressives Momentum verloren hatte und sich die Gesellschaft wieder in Richtung des Kapitalismus bewegte, ist das noch nicht gleichbedeutend mit Kapitalismus selbst. Der Prozess des Übergangs von einer Produktionsweise zu einer anderen ist relativ schnell, weshalb er auch als soziale Revolution bezeichnet wird. Aber er vollzieht sich nicht augenblicklich. Der qualitative Wandel vollzieht sich relativ schneller als der allmähliche Aufbau der quantitativen Veränderungen. Von einer organisierten Konterrevolution kann man in der Sowjetunion zumindest bis in die 1980er Jahre nicht sprechen.

Schließlich möchten wir betonen, dass der Rechtsopportunismus von Chruschtschow und Breschnew in der Tat das Potential hatte, die Sowjetunion in ein staatskapitalistisches Land zu verwandeln, wenn Gorbatschow nicht vorher die Rückkehr des liberalen Kapitalismus zugelassen hätte.

  • Das Haushaltseinkommen, wie es in Kapitel 3.1 verwendet wurde, ist ein unvollständiges Maß für die Ungleichheit, da es die Privilegien der Partei- und Staatselite als Kanal für persönliche Bereicherung nicht berücksichtigt.
  • Das Problem der Vetternwirtschaft, vor allem in den Unionsrepubliken, hätte die Bürokratie auf lange Sicht als Klasse konsolidieren können.
  • Der technokratische Charakter der sowjetischen Politik hätte bei weiterer Institutionalisierung dazu führen können, dass die Arbeiterklasse innerhalb des politischen Systems machtlos geworden wäre.
  • Der ideologische Verfall der Post-Stalin-Ära hätte sich wahrscheinlich fortgesetzt und am Ende nicht mehr als selbstgerechten Opportunismus dargestellt.

Doch trotz alledem deuten unsere Untersuchungen darauf hin, dass diese Probleme noch nicht institutionalisiert waren. Die Sowjetunion blieb zumindest bis zur Machtübernahme durch Gorbatschow sozialistisch und beendete ihren Übergang zum Kapitalismus endgültig, als sie 1991 auseinanderbrach.

7 Theoretische Schlussfolgerungen und Ausblick

Wenn man ein politisches System als kapitalistisch oder sozialistisch, demokratisch oder autoritär, föderalistisch oder zentralistisch usw. definiert, ist man versucht, eine Liste von Merkmalen zu erstellen. Zum Beispiel: Ein sozialistisches Land muss demokratisch sein, eine verstaatlichte Wirtschaft haben und von einer einzigen Partei regiert werden. Dieser Ansatz ist die Standardmethode zur Klassifizierung politischer Systeme in den zeitgenössischen bürgerlichen Sozialwissenschaften. Aber dieser Ansatz ist reine Empirie. Es ist klar, dass empirische Beobachtungen notwendig sind, um einen Gegenstand zu verstehen. Aber vom dialektischen Standpunkt aus gesehen ist es unmöglich, das wahre Wesen einer Sache zu erfassen, wenn man nur ihre empirischen Merkmale betrachtet. Das Problem ist, dass Begriffe wie Demokratie nicht messbar sind. Es gibt keine definitive Checkliste, die Demokratie definieren kann. Marxisten wissen, dass das Wesen eines politischen Systems von der jeweiligen Perspektive abhängt. Der Sozialismus wird Diktatur des Proletariats genannt, weil er eine Diktatur für die Kapitalisten ist. Demokratisch ist er nur für das Proletariat. Auch die westeuropäischen Länder entsprechen den bürgerlichen Kriterien für Demokratien. Aber diese „Demokratien“ sind durch den Einfluss des Kapitalismus kompromittiert, der seine Vertreter in buchstäblich jeder Institution der Entscheidungsfindung hat und alle wichtigen Parteien mit „Spenden“ finanziert. Daher ist die kapitalistische Demokratie nur für reiche Unternehmer demokratisch, nicht für das Proletariat. Wenn wir den Sozialismus definieren wollen, stoßen wir auf ein weiteres Dilemma. Einerseits haben wir Vorstellungen davon, wie eine sozialistische Gesellschaft aussehen sollte, und sind daher versucht, qualitative Merkmale wie Klassenbewusstsein und Demokratie in unsere Definition mit einzubeziehen. Auf der anderen Seite wollen wir unsere Definition auf konkrete Fälle anwenden. Aber vage Konzepte wie Demokratie sind nicht quantifizierbar, zumindest nicht ohne Fehler. Damit eine Theorie wissenschaftlich ist, muss sie falsifizierbar sein. Nehmen wir zum Beispiel an, dass der Sozialismus immer demokratisch ist. Aus dieser Annahme leiten wir ab, dass ein Land, das nicht demokratisch ist, auch nicht sozialistisch sein kann. Da aber Demokratie nicht quantifizierbar und somit nicht messbar ist, geraten wir in eine Sackgasse. Wenn wir uns auf diese Begriffe verlassen, kann Sozialismus alles sein. Deshalb müssen wir uns letztlich auf Merkmale beschränken, die empirisch messbar sind, und dabei den jeweiligen Kontext berücksichtigen. Dies steht nicht im Widerspruch zu der maoistischen Idee der Denkweise über Allem. Aber es muss erst eine radikale Veränderung der Eigentumsverhältnisse an den Produktionsmitteln geben, bevor eine grundlegende ideologische Veränderung des Überbaus möglich ist. Schließlich wissen wir nur zu gut, dass man den Sozialismus nicht herbeiführen kann, indem man den Menschen einfach mehr Mitgefühl beibringt.

Ein weiterer Aspekt, der bei der Bestimmung des Charakters eines Systems zu berücksichtigen ist, ist die Macht. Wenn der Kapitalismus an der Macht ist, wird er unweigerlich die Institutionen des Markts wiederherstellen. Dies geschah nicht, nachdem Chruschtschow die Führung in der UdSSR übernommen hatte. Dickhut selbst gab zu, dass die Revisionisten den Kapitalismus nicht sofort wiederherstellen konnten, ohne auf den Widerstand des Volkes zu stoßen.101 Wie kann man dann argumentieren, dass die Kapitalisten das Sagen hatten? Bitten die US-Kapitalisten um Zustimmung, bevor sie Arbeiterrechte mit Füßen treten? Fragen die chinesischen Kapitalisten die Arbeiter, bevor sie eine weitere Menschenrechtsverletzung begehen? Nein. Obwohl Zugeständnisse ein Instrument der Kapitalistenklasse sind, um die Menschen ruhig zu halten, erstrecken sie sich nicht auf grundlegende Entscheidungen über das Wesen des Systems. Dickhut selbst behauptet, dass sich Systeme in einem Übergangszustand befinden können, wie die Deutsche Demokratische Republik direkt nach 1949, die seiner Meinung nach erst eine „Volksdemokratie“ und noch nicht sozialistisch war.102 Wenn die DDR trotz einer Regierung aus der Arbeiterklasse nicht sofort sozialistisch wurde, dann kann die Sowjetunion trotz einer revisionistischen Führung eine gewisse Zeit lang sozialistisch bleiben.

Wir nennen den extremen Fokus auf die „Richtung“, in die sich ein postrevolutionärer Staat bewegt, bei der Bestimmung seines Charakters den „direktionalen Ansatz“. Er ist in dieser Extremform unwissenschaftlich. Er ist insofern rein qualitativ, als man nicht in Zahlen ausdrücken kann, in welchem Maße sich eine Gesellschaft auf den Kommunismus zubewegt. Schauen wir uns ein extremes Beispiel an. Die sozialistische Sowjetunion kurz nach dem Tod Stalins war sicherlich langsamer auf dem Weg zum Kommunismus unterwegs als die „Volksdemokratie“ (um Dickhuts Terminologie zu verwenden) in der DDR. Wenn wir den Sozialismus rein über die Geschwindigkeit definieren, mit der sich eine Gesellschaft zum Kommunismus hin entwickelt, müsste die DDR von 1949 als sozialistischer gelten als die Sowjetunion von 1953. Natürlich gibt es wohl keinen Restaurationisten, der ein solches Argument tatsächlich vorbringen würde. Warum nicht? Weil selbst Restaurationisten, die den direktionalen Ansatz verwenden, um zu beweisen, dass die Sowjetunion nach Stalin kapitalistisch war, sich auf zusätzliche quantitative Daten stützen, um die Natur eines politischen Systems zu analysieren. Die einfachste Art von quantitativen Daten ist, ob etwas existiert oder nicht. Im Falle des Sozialismus könnten wir fragen: Gibt es Privateigentum oder nicht? Gibt es marktbestimmte Preise oder nicht? usw. Natürlich sind die Antworten auf diese Fragen in der Realität komplizierter als ein einfaches Ja oder Nein, aber sie lassen sich in Zahlen ausdrücken und somit vergleichen. Spätestens seit Lenin definieren wir den Sozialismus als das Stadium zwischen Kapitalismus und Kommunismus. Es ist daher verständlich, dass viele Menschen den Sozialismus nicht auf der Grundlage der konkreten Realität, sondern als eine Bewegung definieren. Die Berücksichtigung dieser Bewegung hat, auch wenn sie nicht endgültig bestimmt werden kann, sogar gewisse Vorteile. Sie ermöglicht es beispielsweise, den Unterschied zwischen der revisionistischen Sowjetunion und der revolutionären Volksrepublik China zu verdeutlichen, obwohl ihre wirtschaftlichen und politischen Systeme zeitweise recht ähnlich waren. Auch für sozialistische Organisationen und künftige sozialistische Gesellschaften hat er einige Vorzüge. Wenn wir anerkennen, dass der Sozialismus nicht notwendigerweise immer in Richtung Kommunismus voranschreitet, wird dies die Gesellschaft dazu bringen, kritischer zu sein und den gegenwärtigen Zustand immer wieder neu zu bewerten, und somit vorsichtiger zu sein, was die mögliche Restauration des Kapitalismus angeht. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass auch die Restaurationisten stets qualitative und quantitative Maßstäbe zur Definition des Sozialismus verwendet haben. Dieser Ansatz ist auch im Allgemeinen nützlich, aber die Restaurationisten haben der qualitativen Seite der Definition zu viel Gewicht gegeben, wenn es ideologisch von Vorteil war. In Anbetracht dessen wäre die korrekte Bezeichnung für den Sozialismus in der Sowjetunion nach Stalin Revisionismus, d. h. eine sozialistische Wirtschaftsbasis, die durch eine rechtsopportunistische Führung verdorben wurde – eine wirtschaftlich sozialistische Gesellschaft, die ihren revolutionären Schwung Richtung Kommunismus verloren hat und die sich erfahrungsgemäß auf dem Weg zur kapitalistischen Restauration befand. Man könnte dies auch als stagnierenden Sozialismus bezeichnen, im Gegensatz zum dynamischen Sozialismus, der sich weiter in Richtung Kommunismus bewegt. Wir können uns die Bewegungsrichtung einer sozialistischen Gesellschaft annähernd erschließen, indem wir die Theorie, die ihre politischen Entscheidungen leitet, kritisch betrachten. Dies wird aber immer ein qualitativer Ansatz bleiben und kann uns nur einen Hinweis geben; dieses Vorgehen kann nicht in Zahlen ausdrücken, wie schnell sich ein System entweder zum Kommunismus oder zur kapitalistischen Restauration bewegt. Ein stagnierender Sozialismus kann das Ergebnis bestimmter historischer Umstände sein, die rechtsopportunistische Tendenzen begünstigen. Es ist kein Versagen der sozialistischen Bewegung, zuzugeben, dass dies möglich ist. Nicht alles, wofür wir uns schämen, muss als kapitalistisch bezeichnet werden. Die chinesischen Maoisten, die der Sowjetunion vorwarfen, staatskapitalistisch zu sein, stellten oft übertriebene oder schlichtweg falsche Behauptungen über die sowjetische Wirtschaft auf.103 Es ist unklar, ob es sich dabei um schlampige und böswillige Forschung handelte, oder ob die Maoisten einfach einen so großen Einblick in die gesellschaftliche Entwicklung hatten, dass sie instinktiv die Restauration des Kapitalismus unter Gorbatschow vorhersahen. Wie auch immer, es war ein wissenschaftlicher Fehler. Auf die gleiche Weise behaupteten sowjetisch orientierte Ideologen, Mao sei ein Kapitalist gewesen.104 Ein korrektes Verständnis des Revisionismus wurde durch die politischen Geschehnisse der chinesisch-sowjetischen Spaltung behindert.

Die letzte Frage, die sich nun stellt, ist, wie ein dynamisches sozialistisches Land mit stagnierenden sozialistischen Ländern umgehen sollte. Wir wollen diese Frage sehr vorsichtig zu beantworten versuchen, da es an historischen Beweisen mangelt. Es ist klar, dass die chinesisch-sowjetische Spaltung sowohl für die Sowjetunion als auch für die Volksrepublik China viele Schwierigkeiten mit sich brachte. Diese Schwierigkeiten wurden beispielsweise deutlich sichtbar, als sich beide Länder im Afghanistankrieg auf verschiedenen Seiten wiederfanden. Es wäre jedoch wahrscheinlich zu viel gesagt, wenn man sagen würde, dass die Solidarität zwischen den sozialistischen Ländern über alle theoretischen und praktischen Unterschiede hinausgehen sollte. Es scheint vernünftig, vorzuschlagen, dass die sozialistischen Länder von Fall zu Fall über ihre Beziehungen zueinander entscheiden müssen. Der wichtige Unterschied zwischen einem stagnierenden sozialistischen Land und einem kapitalistischen Land besteht darin, dass das stagnierende sozialistische Land noch über die meisten seiner Institutionen verfügt, die es der Arbeiterklasse theoretisch ermöglichen, Macht über den Staat auszuüben. Die Arbeiterklasse eines stagnierenden sozialistischen Landes kann immer noch die revolutionäre Flamme erneut entfachen, ohne die derzeitigen staatlichen Institutionen zu zerschlagen. Selbst innerhalb der staatlichen Bürokratie gibt es noch revolutionäre Kommunisten, die durch den bürokratischen Prozess lediglich gebremst werden.105 Es ist daher von entscheidender Bedeutung, festzustellen, wie weit die Stagnation in dem untersuchten sozialistischen Land bereits fortgeschritten ist. Wenn es wahrscheinlich ist, dass ein dynamisches sozialistisches Land einen positiven Einfluss auf ein stagnierendes Land ausüben kann, dann sollten kooperative Beziehungen aufrechterhalten werden. Nur wenn ein stagnierendes Regime bereits fest an der Macht ist und eine Zusammenarbeit eine Stärkung dieses Regimes gegen die Arbeiterklasse bedeuten würde, ist eine politische Spaltung gerechtfertigt.

Unsere Forschung ist nicht nur wichtig, weil sie einen jahrzehntealten Konflikt und gängige Missverständnisse innerhalb der kommunistischen Bewegung anspricht. Sie zeigt auch die Grundsätze auf, nach denen jede fortschrittliche Organisation ihre theoretischen Standpunkte erarbeiten sollte. Wir haben deutlich gezeigt, dass Dogmatismus, Opportunismus und Unwissenheit das Schwert der revolutionären Wissenschaft abstumpfen und die Wahrnehmung auf die Welt trüben. Nur das kompromisslose und selbstkritische Eingeständnis vergangener Fehler kann uns davor bewahren, sie zu wiederholen. Dies gilt auch für die LLCO. Unser verstorbener Gründer Prairie Fire räumte zwar ein, dass es der Organisation noch an einer wissenschaftlichen Bewertung des sowjetischen Revisionismus mangelte,106 aber er übte dennoch übertriebene Kritik an der Sowjetunion nach Stalin. Dies war eindeutig ein Fehler. Der Sprung vom Kapitalismus zum Sozialismus und weiter zum Kommunismus ist eine historische Aufgabe, die alles andere als leicht sein wird. Auch bei der wissenschaftlichsten Aufarbeitung der Vergangenheit werden in der Zukunft Fehler gemacht werden. Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir uns auf eine solide wissenschaftliche Grundlage stützen, die uns hilft, diese Fehler zu verstehen und zu korrigieren. Während wir diesen Artikel verfassten, waren sich ehrliche Kommunisten, unabhängig davon, ob sie die UdSSR nach Stalin als kapitalistisch oder sozialistisch betrachteten, schon immer einig, dass die Fehler der revisionistischen Sowjetunion nicht wiederholt werden dürfen. Wie bereits in der Einleitung erwähnt, ist es das Ziel dieses Artikels, zu vereinen und die Zusammenarbeit auf der Grundlage der revolutionären Wissenschaft zu fördern. Es ist nicht unser Ziel, die Spaltung in der sozialistischen Bewegung noch weiter zu vertiefen.

Revolutionäre Wissenschaft an der Spitze!

Wir möchten unseren geschätzten Genossen und Genossinnen Janelle Velina, Isaac, Jonathan Meadows, Rivaldo „Djuma“ Cardoso und Uziel Stryker für ihre Hilfe mit diesem Artikel danken.

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27 Novokmet et al. (2018), S. 218.

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