Alte Macht, Neue Macht, Reform versus Revolution

Alte Macht, Neue Macht, Reform versus Revolution

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Einer der wichtigsten Kämpfe in der Geschichte unserer Bewegung war der Kampf zwischen Reform und Revolution. Sollen wir den Wandel schrittweise auf legalem Weg herbeiführen oder für einen tiefen, revolutionären Wandel kämpfen? Die Debatte drehte sich dabei um zwei auseinandergehende Meinungen zur Natur des Staats. Ausgefochten wurden die Debatten in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg und der Bolschewistischen Revolution. Auf der einen Seite der Debatte standen die Revisionisten der Zweiten Internationale, besser bekannt als „Sozialdemokraten“. Auf der anderen Seite standen die Bolschewiki mit Lenin als Anführer. Zu dieser Zeit wurde Lenin als ultralinks und unbedeutend betrachtet. Die großen revolutionären Wegbereiter machen anfänglich immer diesen Eindruck. Es gehört zum Wesen der großen revolutionären Wissenschaftler – Marx, Lenin, Mao und die Leitenden Lichter – dass sie sehen und beschreiben können, wozu Andere nicht in der Lage sind. Sie nehmen nicht einfach die akzeptierte Meinung ihrer Zeit hin. Vielmehr können sie weiter blicken als Andere. Sie gingen ins Gebirge und kamen zu den Menschen zurück. Mit einem Fuß standen sie in der Welt der hohen Wissenschaften, mit dem andern in der Welt des Volks. Das zusammenhängende, allen zugängliche, revolutionäre, wissenschaftliche Bewusstsein ist die wahre Massenlinie. Das ist es, was eine wahre Avantgarde ausmacht. Das ist es, was ein Leitendes Licht ausmacht. Um eine Revolution zu machen, ist es essentiell, dass reformistische Illusionen überwunden werden. Es ist essentiell, dass der wahre Charakter des reaktionären Staats verstanden wird. Dies ist der Schlüssel zur Revolution und zum Kommunismus des Leitenden Lichts, dem Ende der Unterdrückung.

Die Bolschewistische Revolution mit Lenin als Anführer und die Revolutionen, die daraus resultierten, waren die ersten wirklich nachhaltigen sozialistischen Revolutionen. Sie waren die ersten nachhaltigen Versuche, den Sozialismus aufzubauen und zum Kommunismus zu gelangen – dem Ende jeglicher Unterdrückung. Diese Revolutionen bestätigten Marx’ Staatstheorien. Sie erweiterten zusätzlich unser Verständnis des revolutionären Prozesses. Um diese Lehren zu verstehen, ist es jedoch nötig, die zu Lenins Zeiten vorherrschenden Theorien der Revisionisten zu betrachten. Viele Leute – Sozialdemokraten und Liberale – lehnen noch heute die Position von Lenin ab; sie vertreten eine gegenteilige Auffassung des Staats und des Gesellschaftswandels. Die Revisionisten waren der Ansicht, dass der Staat als neutrale oder quasi-neutrale Institution fungieren könne, um den dann mit feindlichen oder halbwegs feindlichen Gesellschaftskräften gekämpft werden kann. Anders gesagt betrachteten einige Revisionisten den Staat als eine neutrale Institution, die über dem Klassenkampf stehen könne. Er könne als eine Art Vermittler zwischen Proletariat und Bourgeoisie benutzt werden. Er könne eine neutrale Institution sein, unter deren Autorität jeder profitieren würde. Diese Revisionisten glaubten, weil der alte Staat in mancher Hinsicht neutral sei, dass er erkämpft werden könnte.

Die Revisionisten trachteten nach einer gesellschaftlichen Einheit innerhalb der imperialistischen Bevölkerung. Es stimmt, im Staat und mithilfe des Staats können sich die imperialistischen Arbeiter mit den imperialistischen Vorgesetzten versöhnen. Das ist jedoch nur möglich, weil die imperialistischen Arbeiter und die imperialistischen Vorgesetzten keine antagonistischen Klassen bilden. Zwischen den imperialistischen Arbeitern und den imperialistischen Vorgesetzten kann ein sozialer Friede gekauft werden, auf Kosten Anderer. Und der Staat kann dabei eine gewichtige Rolle spielen. Lenin hat jedoch darauf hingewiesen, dass zwischen antagonistischen Klassen kein sozialer Frieden möglich ist. Zwischen dem globalen Proletariat und der globalen Bourgeoisie könnte er nie erkauft werden, gleichgültig, ob mit oder ohne Staat. Das revisionistische Konzept begünstigte die Arbeiter des eigenen Landes vor dem globalen Proletariat, dasselbe gilt heute für das erstweltlerische Konzept. Ihr Konzept des Sozialismus ist nicht an den Kommunismus gebunden, an das Ende jeglicher Unterdrückung. Vielmehr ist ihr Konzept für gewöhnlich ein Bild der nationalen Einheit, gekoppelt an eine materielle Verbesserung für die heimischen Arbeiter. Diese besondere Betrachtungsweise steht im Zusammenhang mit dem engstirnigen Ökonomismus, welcher den „Sozialismus“ hauptsächlich als eine Erhöhung des materiellen Lebensstandards betrachtet, nicht als eine radikale Neuordnung, um den Kommunismus zu erreichen, um Unterdrückung global zu beseitigen. Diese Revisionisten betrachteten die heimischen Arbeiter und nicht das globale Proletariat als ihre Gefolgschaft. Sie politisieren für die heimischen Arbeiter auf Kosten des globalen Proletariats. Dies führte direkt in den Sozialimperialismus und in den Sozialfaschismus – Imperialismus und Faschismus getarnt als Sozialismus. Die Revisionisten sind bereit, mithilfe des Staats zwischen den imperialistischen Arbeitern und der imperialistischen Bourgeoisie des eigenen Landes eine Allianz zu bilden. Dieses besondere Verständnis des Staats wird benutzt, um imperialistische Kriege gegen arme Länder und gegen andere imperialistische Länder zu rechtfertigen. Die Revisionisten der Zweiten Internationale stimmten dafür, den Ersten Weltkrieg zu unterstützen mit der Überlegung, dass ein Sieg des französischen Imperialismus nicht nur den französischen Kapitalisten, sondern auch den französischen Arbeitern zugute kommen würde. Auf ähnliche Weise kamen auch die deutschen Revisionisten zum Schluss, dass ein deutscher Sieg der ganzen deutschen Gesellschaft nützen würde, die Arbeiter miteinbegriffen. Lenin kritisierte diesen Sozialimperialismus und Sozialfaschismus. In der heutigen Zeit ist das Erstweltlertum die mächtigste Form des Sozialimperialismus und Sozialfaschismus.

Diese revisionistischen Ansichten sind mit dem Reformismus verknüpft. Die Revisionisten argumentieren, dass der Staat, weil er neutral oder quasi-neutral sei, schrittweise mit rechtlichen und parlamentarischen Mitteln erkämpft werden könne. Gemäß den Revisionisten muss der gegenwärtige Staat nicht das Werkzeug der Unterdrückung sein. Sie glauben, dass er mit Wahlen und Lobbyarbeit errungen werden kann. Dieser Ansicht entsprechend wird der „Sozialismus“ Schritt für Schritt durch Reformen des gegenwärtigen Staats verwirklicht. Lenin zeigte, dass das revisionistische Konzept des „Sozialismus“ kein wirklicher Sozialismus ist. Die Revisionisten „hissen die Rote Fahne, um sich gegen die Rote Fahne zu stellen“. Ihr Konzept des „Sozialismus“ lässt die Diktatur des Proletariats zugunsten der imperialistischen Zusammenarbeit fallen. Genauso lässt es das Konzept des Kommunismus fallen. Die Revisionisten glauben nicht, dass das globale Proletariat herrschen muss. Sie sehen keine Notwendigkeit für eine kommunistische Linie, für eine revolutionäre Wissenschaft, für die eigene Unterwerfung unter die Gesellschaft. Diese Gedanken werden von einer Vielzahl Revisionisten ausgedrückt, es sind die sozialdemokratischen und liberalen Kräfte.

Lenin war ganz anderer Meinung. Lenin bejahte das Marxsche Konzept der Diktatur des Proletariats. Lenin beschrieb den Staat einst als „Formation bewaffneter Menschen“. Selbstverständlich ist der Staat mehr als das, aber Lenin meinte damit, dass das Gewaltmonopol, die Klassenunterdrückung, ein grundlegender Aspekt des Staats ist. Es lässt sich nicht von ihm trennen. Lenin hat das verstanden. Er betrachtete den Staat als eine Art Waffe, mit der eine Klasse die andere unterdrücken kann. Der alte Staat ist eine Waffe, die nur von den Reaktionären gehandhabt werden kann. Der Staat ist kein neutraler Ort, wo sich die antagonistischen Klassen gegenübertreten und ihre Meinungsverschiedenheiten lösen können. Der Staat kann nicht grundlegend verändert werden, um den Sozialismus zu erreichen. Lenin stimmte dem zu, dass der Staat entweder ein Werkzeug für das Proletariat oder für die Reaktionäre darstellen könnte, aber nicht für beide gleichzeitig. Der Staat ist prinzipiell immer entweder das Instrument von Freunden oder von Feinden.

Lenins Konzept birgt wichtige Implikationen für die revolutionäre Praxis. Es gibt das Gleichnis von einem Mann, der einen Sack voll Gold ins Meer fallen lässt und dem Gold hinterher springt. Er ertrinkt. War das Gold sein Eigentum oder war er das Eigentum des Goldes? So ist das Wesen des reaktionären Staates. Sollte es zum unwahrscheinlichen Fall kommen, dass die progressiven Kräfte im alten Staat an die Macht gelangen, wird der Staat trotzdem nicht ihnen gehören. Vielmehr werden sie dem Staat gehören. Sie erobern nicht den Staat, der Staat erobert sie. Während sie versuchen, den alten Staat unter diesen Bedingungen zu erobern, werden die progressiven Kräfte in ihr Gegenteil verkehrt. Sie können nicht anders, als Teil des Systems zu werden, auch wenn sie behaupten, es zu bekämpfen. Der Staat wartet nicht geduldig darauf, von Revolutionären übernommen zu werden. Der alte Staat kann nicht einfach erobert werden, er muss zerschmettert werden. Er muss zerstört werden. Die Alte Macht muss beseitigt werden; eine Neue Macht muss an ihrer Stelle errichtet werden.

Marx schrieb, dass die alte Gesellschaft mit einer neuen schwanger geht. Die Neue Macht ist zum Teil ein neuer Staat im Kleinformat, welcher innerhalb der alten Gesellschaft entsteht. Für eine Weile existieren die Alte und die Neue Macht Seite an Seite, weshalb Lenin dieses Phänomen die „Doppelherrschaft“ nannte. Die Neue Macht setzt sich aus unabhängigen Institutionen der Unterdrückten zusammen. Die Neue Macht umfasst ein Netzwerk aus Volksinstitutionen, die von der Kommunistischen Partei geleitet werden und noch innerhalb der alten Gesellschaft entstehen, um gegen die Alte Macht anzukämpfen. Jede dieser Institutionen wird von der kommunistischen Führung gelenkt, um die Hegemonie anzugreifen, sie schlussendlich zu beseitigen und um die Alte Macht zu ersetzen. Zu Lenins Zeiten waren die Sowjets oder Arbeiterräte die wichtigsten Organe der Neuen Macht. Die Bolschewiki mit Lenin an der Spitze lehnten die Aufforderung ab, sich an der Regierungskoalition im alten Staat zu beteiligen. Stattdessen verlangten sie: „Alle Macht den Räten!“

Dieses Konzept der Neuen Macht ist aus der sowjetischen Erfahrung heraus entstanden, es wurde aber während der folgenden Welle der Revolutionen auch angepasst und weiterentwickelt, das beste Beispiel dafür ist die chinesische Revolution, die von Mao geführt wurde. Maos Weg zur Macht war etwas anders als der von Lenin. Seit den Tagen von Marx bewegte sich die Weltrevolution fort von den imperialistischen Ländern zu den Kolonien. Die Bolschewistische Revolution vollzog sich nicht in den imperialistischen Ländern, sie vollzog sich nicht im stärksten, sondern in einem schwachen Glied des imperialistischen Systems, im russischen Zarenreich. Seit der Zeit von Lenin hat sich die Weltrevolution sogar noch weiter in die koloniale Welt hineinbewegt. China wurde zum nächsten Durchbruch. Die Bedingungen in China waren völlig anders. Mao passte das Konzept der Neuen Macht an und erweiterte es, damit es mit den herrschenden Bedingungen übereinstimmte. In China nahm der Weg zur Macht die Form des Volkskriegs an, welcher von den ländlichen Gebieten, wo der reaktionäre Staat am schwächsten war, auf die Städte übergriff. Um die Doppelherrschaft zu etablieren, eignen sich die roten Kräfte Gebiete an, in denen die Alte Macht am schwächsten ist, und setzen dort die Neue Macht ein. Von dort aus wird sich die Neue Macht allmählich geografisch ausdehnen, bis die letzten Gebiete der zusammengedrängten Alten Macht die Städte sind, welche dann abgeschnitten und besiegt werden können. Dieses geografische Konzept der Neuen Macht wird von den Maoisten „Stützpunktgebiete“ oder „rote Zonen“ genannt.

In diesen roten Zonen wird die Neue Macht errichtet. Es werden unabhängige Institutionen der Unterdrückten errichtet. Ein neuer Staat im Kleinformat wird errichtet. Verteidigt wird er von der Volksarmee, einer mächtigen Roten Armee. Schulen fürs Volk. Bildung. Eine neue revolutionäre Kultur. Neue Kunst. Neue Musik. Neuer Tanz. Landreformen. Die Befreiung der Frau und der Jugend. Volksgerichte. Volkskomitees. Eine neue, kollektive Wirtschaft. Eine neue, nachhaltige Beziehung zwischen der Gesellschaft und der Natur. Diene dem Volk. Löse die Probleme des Volks. Lebe die Revolution. Die neue Gesellschaft im Kleinformat. Die roten Zonen werden ein Leuchtfeuer sein für die Unterdrückten und Ausgebeuteten dieser Welt.

Lin Biao hat Maos Ideen sogar noch weiter entwickelt. Lin Biao stellte fest, dass die individuellen Volkskriege Teil eines viel größeren globalen Volkskriegs sind. Auf dieselbe Weise wie Maos Volkskrieg vom Land in die Stadt getragen wurde, wird der globale Volkskrieg vom globalen Dorf in die globale Stadt getragen. Und er stellte fest, dass die sozialistischen Länder auf globaler Ebene, genau so wie die befreiten Gebiete innerhalb einzelner Länder rote Zonen bilden könnten. Lin Biao betrachtete den revolutionären Prozess als einen zusammenhängenden Prozess, in dem sich die Neue Macht geografisch ausbreiten und immer mehr sozialistische Länder errichten wird, die als globale rote Zonen agieren. Letztendlich wird die Erste Welt vollständig von den globalen roten Zonen umzingelt sein. Die Erste Welt kann dann abgeschnitten und schließlich vom globalen Volkskrieg besiegt werden.

In den nächsten Jahren, in denen wir die nächste große Welle der Revolution auslösen werden, werden sich diese Konzepte bestätigen und weiterentwickelt werden. Mit dem Wachstum des globalen Slums innerhalb des globalen Dorfs ist es nur wahrscheinlich, dass die Neue Macht auch neue Formen annehmen wird. Die zukünftigen roten Zonen könnten ziemlich anders aussehen als die roten Zonen der Vergangenheit. Die Konzepte werden angepasst werden müssen, um das ständig wachsende technologische Leistungsvermögen des staatlichen Repressionsapparats zu kontern. Zusätzlich muss die wachsende Nutzung der neuen Informationstechnologie von Revolutionären in die Konzepte der Neuen Macht einbezogen werden. Die zukünftige Neue Macht existiert nicht nur am Boden, sie existiert nicht nur geografisch, sie wird auch im Cyberspace existieren.

Diese wichtigen Lehren haben sich in unserer Geschichte immer wieder bestätigt. Wir müssen die Vergangenheit verstehen und in die Zukunft vorwärtsschreiten. Auf allen Gebieten überträgt das Leitende Licht der Wissenschaft das Kommando. Nur das Leitende Licht hat die revolutionäre Wissenschaft auf eine völlig neue Stufe gebracht. Der LL-Kommunismus ist das Leuchtfeuer des revolutionären Denkens von heute. Er ist der neue Durchbruch. Wir müssen dem Leitenden Licht hin zum echten Kommunismus folgen. Wenn wir siegen wollen, müssen wir uns dem Kommando der revolutionären Wissenschaft unterstellen.

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