Gedanken über Stalin

Gedanken über Stalin

Prairie Fire
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Stalin kam am 18. Dezember 1879 zur Welt. Viele Revolutionäre stolpern noch immer über das Problem mit Stalin. Sie kommen einfach nicht mit der Stalinfrage zurecht, auch wenn er, trotz dem großen Aufwand der Bourgeoisie, seinen Namen in den Schmutz zu ziehen, noch immer überall auf der Welt in hohem Ansehen steht. Stalin ist eine kontroverse Persönlichkeit, selbst in unserer Bewegung. Trotz alledem sagen wir, dass er eher richtig als falsch lag. Mao sagte, Stalin war zu 70 Prozent gut und zu 30 Prozent schlecht. Vielleicht sind Maos Zahlen zu positiv, vielleicht sind sie zu negativ. Mao hat selber auch viele Fehler begangen. Dessen ungeachtet ist das Einzige über Stalin, das wir stets im Kopf behalten müssen, dass er Problemen gegenüber stand, die sich die meisten Menschen der Ersten Welt gar nicht vorstellen können.

Von Anfang an ist die Sowjetunion von Imperialisten umzingelt gewesen. Wir übernahmen ein Land, das durch Gewalt und Armut verwüstet worden ist. Dort wurde ein erster Durchbruch erzielt. Dort erbauten wir zum ersten Mal einen dauerhaften Sozialismus. Aber nur wenige Jahrzehnte nachdem der Sozialismus geboren war, wurden wir von der Katastrophe eines weiteren Weltkrieges heimgesucht. Etwa 26 Millionen sowjetische Bürger verloren im Zweiten Weltkrieg ihr Leben. Hätte Stalin die Sowjetunion nicht so industrialisiert, wie er es getan hat, mit all den notwendigen Opfern; es wäre Hitler höchstwahrscheinlich möglich gewesen, bis zum Pazifischen Ozean vorzudringen, alles niederwalzend, was sich ihm in den Weg gestellt hätte. Oder der Konflikt hätte sich fortgesetzt und in die Länge gezogen. Es hätte aber auf alle Fälle mehr Menschen das Leben gekostet. Eine der wichtigsten Lektionen von Stalin, die wir lernen müssen, ist, dass wir Revolutionäre manchmal Problemen begegnen müssen, für die es keine perfekte Lösung gibt. Manchmal stellt uns die Welt vor schwierige Entscheidungen.

Es wird keine Zuckerschlecken werden, eine Revolution durchzuführen. Wir treten Tausenden von Jahren der reaktionären sozialen Manipulation entgegen. Wir treten Tausenden von Jahren der reaktionären Kultur und sozialen Ungleichheit entgegen. Seit Jahrtausenden wird uns weisgemacht, dass manche Gruppen besser sind als andere: Reiche sind besser als Arme, Weiße sind besser als Schwarze, Männer sind besser als Frauen, Alte sind besser als Junge. Wir werden hart arbeiten müssen, um diese und andere Spaltungen zu überwinden. Der Weg wird lang sein. Es wird Höhen und Tiefen geben. Man wird Fehler machen, große Fehler. Und manchmal wird man vor schwierigen Entscheidungen stehen. Das ist die traurige Realität der Revolution.

Wie so oft gibt es auch an Stalin ein andere Seite als diejenige, die in den reaktionären Medien von ihm gezeichnet wird. Viele bedeutende Revolutionäre des letzten Jahrhunderts hatten auch Gutes über ihn zu berichten. W. E. B. Du Bois, ein schwarzer Kommunist, sagte über ihn:

„Stalin war kein Mann von konventioneller Bildung; er war sehr viel mehr: Er war ein Mann, der gründlich nachdachte; der verstand, was er las; der der Weisheit, woher sie auch kommen mochte, zuhörte. Er ist attackiert und verunglimpft worden wie kaum ein Mensch mit Macht vor ihm; dennoch hat er selten seinen Anstand und seine Ausgeglichenheit verloren; weder ließ er sich durch die Attacken von seinen Überzeugungen abbringen noch dazu verleiten, seine Positionen aufzugeben, von denen er wusste, dass sie stimmten. Selber aus einer verachteten Minderheit des Menschengeschlechts stammend, brachte er als Erster Russland auf den Weg, die Rassenvorurteile zu bezwingen und aus den 140 Volksgruppen eine einzige Nation zu bilden, ohne deren Identität zu zerstören.

Sein Urteilsvermögen über den Menschen war tiefreichend. Er durchschaute schon früh die Extravaganz und den Exhibitionismus von Trotski, welcher die Welt und vor allem Amerika für dumm verkauft hat. Die ganze missratene und abstoßende Einstellung der Liberalen in den heutigen USA, begann mit unserer naiven Akzeptanz gegenüber der grandiosen Lügenpropaganda von Trotzki, welche er um den Globus getragen hat. Dagegen stand Stalin fest wie ein Felsbrocken und bewegte sich weder nach links noch nach rechts, während er damit weitermachte, auf den wahren Sozialismus zuzusteuern, anstatt auf den Schwindel hereinzufallen, den Trotzki feilgeboten hat.“ (1)

Wenn wir auf die Geschichte zurückblicken, müssen wir dazu einen differenzierten Blickwinkel einnehmen. Die Dinge sind selten einfach, wenn es um die Revolution geht. War Stalins Ära eine harte Zeit? Niemand möchte das bestreiten. Aber wie Mao sagte, die Revolution ist kein Kaffeekränzchen. Wenn wir wieder die Macht übernehmen, werden wir ebenfalls vor schwierigen Entscheidungen stehen. Feinde werden versuchen uns zu zerstören, so wie sie es schon immer gemacht haben. Wir werden zuweilen hart mit ihnen umgehen müssen. Es wird immer wieder darauf hinauslaufen. Gegner werden nicht einfach dadurch verschwinden, dass wir sie uns wegwünschen. Der Feind wird nicht zögern, uns im Blut zu ertränken. Wir sind keine unvernünftigen Utopisten.

Ein Fehler in Stalins Herangehensweise sollten wir aber vermeiden; nämlich das Problem, die Konterrevolution nach dem Denkmuster der Polizei zu betrachten, was auch während der Mao-Ära üblich war. Es ist zwar so, dass die chinesischen Revolutionäre die polizeiliche Herangehensweise auf der theoretischen Stufe ablehnten, aber in Wahrheit haben sie in der Praxis nicht immer vollständig auf sie verzichtet. Sowieso war ihre Praxis ein Wirrwarr. Ein kurzer Blick auf die Unterlagen aus jener Periode offenbart, dass alle diese denunzierten Anführer der Periode, Kommunisten sowie Kapitalisten, stets durch das Polizeiraster betrachtet wurden. Man betrachtete sie als Spione, Saboteure und Agenten auf der Gehaltsliste eines ausländischen Staates. Die Gerichtsurteile gegen sie waren eigentliche Polizeiurteile. Konterrevolution wurde mit den Augen der Polizei betrachtet. Das ist eine falsche Herangehensweise.

Zweifellos gibt es echte Spione. Zweifellos gibt es echte Sabotage. Wir sind keine Dummköpfe. Tatsächlich gibt es wahrscheinlich mehr FBI- und CIA-Agenten in den USA als Aktivisten, die sich in nach eigenem Verständnis sozialistischen Organisationen organisieren; es gibt wahrscheinlich auch mehr Hare Krishnas – ein trauriger Indikator für den Mangel einer revolutionären, gesellschaftlichen Basis in der Ersten Welt. Obwohl es originelle Fälle von Infiltration durch Spione und Saboteure gibt, eine solche Infiltration ist nicht der Hauptgrund für eine Konterrevolution. Die Maoisten in China hatten aber begonnen, das Problem strukturierter anzugehen, auch wenn sie nicht immer konsequent blieben. Sie erkannten, dass die Fortsetzung der Ungleichheiten und die Beibehaltung von rückschrittlichen Ideen sich verfestigen, erstarren und sich verbreiten würden, falls sie nicht fortwährend attackiert werden. Diese strukturellen und ideologischen Probleme werden sich in einer neuen Kapitalistenklasse manifestieren, welche innerhalb der Machtorgane entsteht, innerhalb der Kommunistischen Partei und dem Staat. Beim Problem der Konterrevolution geht es also nicht darum, wie man die Polizeimaßnahmen perfektioniert. Um die Konterrevolution zu bekämpfen und den Sozialismus voranzubringen, bedarf es vielmehr einer Reduktion der Ungleichheiten in der Machtverteilung und der Privilegien. Es geht vielmehr darum, die rückschrittliche Kultur, die rückschrittliche soziale Manipulation zu bekämpfen, die alte Kultur mit einer neuen auszutauschen. Dies gehört zur Fortsetzung der Revolution unter der Diktatur des Proletariats dazu. Das ist die fortwährende Revolution, die Kulturrevolution. Der Schlüssel dazu ist, dass wir das Problem der Konterrevolution durch die Augen der Macht, der Struktur betrachten, nicht durch die Augen der Polizei. In vielerlei Hinsicht teilt das Polizeidenkmuster zur Betrachtung der Konterrevolution einige Gemeinsamkeiten mit der Geschichtstheorie des Großen Mannes, die idealistische Auffassung davon, dass ein historischen Fortschritt nur durch die Handlungen von einzelnen, bedeutenden Männern erreicht wird. Dagegen ist die maoistisch-drittweltistische Herangehensweise an die Konterrevolution bloß die Anwendung von Marx’ historischem Materialismus auf das Problem der Konterrevolution.

Wir stehen auf eine allgemeine, undogmatische Weise hinter der stalinistischen Periode. Ihre Fehler sind demnach auch unsere Fehler. Wir waschen unsere Hände nicht einfach in Unschuld. Wir kehren dem nicht einfach den Rücken zu. Dies zu akzeptieren, ist Teil dessen, was wahrhaftige Anführer ausmacht. Wir sehen zwar die Grenzen von Stalins Herangehensweise, welche auch von den Maoisten bis zu einem gewissen Maß mitgemacht wurde. Die Maoisten haben jedoch begonnen mit dieser Herangehensweise zu brechen, auch wenn sie damit nicht konsequent gebrochen haben und ihre Praxis hinterherhinkte. Die Revolution ist ein langer Marsch. Wir werden Fehler machen, unsere Höhen und Tiefen haben, falsche Anstöße und wieder Rückzüge machen müssen. Das ist der Grund, weshalb es so wichtig ist, der revolutionärem Wissenschaft das Kommando zu übergeben. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt bedeutet das, dem Maoismus-Drittweltismus das Kommando zu übergeben. Die Wissenschaft lernt mit. Und offen gesagt, haben wir eine ganze Menge von Stalin gelernt. Lasst uns nicht gleichgültig mit unserer Verantwortung umgehen. Wir sind Kommunisten des Leitenden Lichts, die Avantgarde der Weltrevolution. Die Leute verdienen Ehrlichkeit von uns.

Gedenkt unseren Wegbereitern!

Quellenangabe:

Originaltitel: Thoughts on Stalin

1. W.E.B. Du Bois, The Oxford W.E.B. Du Bois Reader (NY: Oxford University
Press, 1996), p. 287.

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